Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
stählerne Muskeln gehabt. Natürlich war dieser Traum im Keim erstickt worden – ein Byden war zu Höherem berufen.
»Channing wird genauso Vernunft annehmen wie Philip damals. Meine liebe Candace, dein Fehler war nur, daß du deine Autorität nicht geltend gemacht hast.«
»Channing ist über einundzwanzig«, entgegnete Candace steif.
»Eine Mutter ist und bleibt eine Autoritätsperson.« Milicent lächelte selbstgefällig, als es an der Tür läutete. »Ah,
das wird die verlorene Tochter sein. Laß sie zuerst um Verzeihung bitten, Philip, dann geht es ihr besser – und danach heißen wir sie erst wieder willkommen.«
Doch Kelsey machte keinen sehr reumütigen Eindruck, als sie mit Gabe an der Seite das Wohnzimmer betrat. Lächelnd begrüßte sie ihren Vater, gab ihm einen Kuß und umarmte Candace, ehe sie sich an ihre Großmutter wandte.
»Danke, daß ihr alle gekommen seid.« Sie beugte sich vor und küßte Milicents dezent gepuderte Wange. »Großmutter, Dad, Candace, das ist Gabriel Slater. Gabe, Milicent, Candace und Philip Byden.«
»Nett, Sie kennenzulernen.« Philip hielt Gabe die Hand hin.
»Ich möchte ja nicht unhöflich erscheinen . . .«, Milicents Augen wurden kalt, als sie auf Gabe ruhten, ». . . aber ich war der Meinung, daß wir Familienangelegenheiten zu besprechen hätten.«
»Das haben wir auch, alte und neue. Am besten fange ich mit der neuen an. Gabe und ich werden heiraten.«
Einen Moment lang herrschte verblüfftes Schweigen, ehe Philip die Sprache wiederfand. »Nun, das ist . . . eine Überraschung. Eine freudige Überraschung.«
»Die wie eine Bombe eingeschlagen hat«, fügte Candace hinzu. »Typisch Kelsey!« Sie machte eine kurze Pause und sagte dann: »Jetzt ist Sherry allerdings fehl am Platz. Wir brauchen Champagner.«
»Ich werde das nicht dulden!« Milicents Gesicht war unter der Schminke bleich geworden. »Ich werde dieses empörende Benehmen in meinem Haus nicht dulden.«
»Mutter . . .«, begann Philip vorsichtig.
»In meinem Heim«, betonte Milicent und schlug mit der Faust auf die Sessellehne. »Gilt dieser Schlag mir?« fauchte sie Kelsey an, »soll das eine unterschwellige Beleidigung sein, daß du diesen Menschen in mein Haus bringst und damit drohst, ihn zu heiraten?«
Das übertraf alles, was sie bislang von Milicent gewohnt war. Kelsey traute ihren Ohren nicht. »Es ist weder ein
Schlag gegen dich, noch eine Beleidigung, noch eine Drohung. Sondern eine Tatsache. Wir heiraten in ein paar Wochen, in Gabes Haus in Virginia. Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr alle kommt.«
»Natürlich kommen wir.« Bemüht, die Wogen zu glätten, mischte sich Candace ein. »Wir sind zwar im Augenblick alle von der Ankündigung überrascht, aber wir würden deine Hochzeit um nichts in der Welt verpassen. Ich hoffe, ich kann dir bei den Vorbereitungen ein wenig zur Hand gehen.«
»Genug!« Milicent knallte ihr Sherryglas so hart auf den Tisch, daß es einen Sprung bekam und die Reste der bernsteinfarbenen Flüssigkeit auf den Teppich tropften. »Diese Hochzeit wird selbstverständlich nicht stattfinden. Offensichtlich bist du auf ein hübsches Gesicht hereingefallen, Kelsey. Das ist zwar töricht, aber man kann den Schaden wieder gutmachen.«
Mit aller Kraft rang sie um Selbstbeherrschung. »Es ist noch keine öffentliche Bekanntmachung erfolgt, also muß auch nichts zurückgenommen werden. Und Sie . . .«, sie deutete auf Gabe, ». . . Sie können sich einige Unannehmlichkeiten ersparen, wenn Sie jetzt gehen.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Gabe gelassen. »Bereiten Sie mir ruhig Unannehmlichkeiten.«
»Wir gehen beide.« Vor Wut schäumend ergriff Kelsey Gabes Hand. »Dieser Besuch war ein Fehler. Was ich meiner Großmutter sonst noch zu sagen habe, kann ich ihr auch später sagen. Ich hätte dich nicht hierherbringen sollen, Gabe, und dich dieser Szene aussetzen dürfen.«
»Laß nur.« Gabe zog ihre Hand an die Lippen und küßte sie oberhalb des Ringes. »Laß sie zu Ende reden.«
»Ich muß in aller Form um Entschuldigung bitten.« Philip schob sich zwischen seine Mutter und seine Tochter. »Diese Neuigkeit kam sehr überraschend. Es wäre besser, später in Ruhe darüber zu reden.«
»Nimm das Mädchen nicht auch noch in Schutz.« Milicent stand auf. »Das hast du lange genug getan. Sie muß lernen, den Tatsachen ins Auge zu blicken.«
»Das tue ich wahrhaftig«, murmelte Kelsey, »schon seit einiger Zeit.«
»Dann beschäftige dich mal mit dem hier.«
Weitere Kostenlose Bücher