Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
Kampfer auf die Zunge. Er hustet nicht mehr, und das ist ein gutes Zeichen.«
»Behandeln Sie die Tiere immer selbst?«
»Matt wird nur gerufen, wenn wir nicht weiterwissen.«
»Ich dachte, ein Trainer bildet die Pferde nur aus.«
»Der Trainer ist für alles zuständig. Manchmal beanspruchen die Pferde ihn am wenigsten. Begleiten Sie mich mal einen Tag, dann verstehen Sie, was ich meine.«
»Gern.«
Er hatte das einfach nur so dahingesagt und nicht erwartet, daß sie sofort darauf einging. Nachdenklich musterte er sie. »Ich fange im Morgengrauen an.«
»Das weiß ich. Wahrscheinlich bin ich Ihnen nur lästig. Aber ich habe schon überlegt, ob ich nicht irgend etwas tun kann, während ich hier bin. Ställe ausmisten oder Heu schaufeln. Ich erwarte ja gar nicht, daß man mir Pferde anvertraut, aber ich hasse Nichtstun.«
Sie ist die Tochter ihrer Mutter, dachte Moses. »Hier gibt es immer was zu tun. Wann wollen Sie anfangen?«
»Heute nachmittag, vielleicht besser morgen, jetzt muß ich noch etwas erledigen.« Beim Gedanken daran sank
ihre Stimmung. »Ich würde lieber Mist karren, aber es läßt sich nicht vermeiden.«
»Dann kommen Sie, sobald Sie können, okay?«
»Vielen Dank. Ich habe aber noch eine Bitte: Kannn ich mir für heute morgen ein Reitpferd ausleihen? Reiten kann ich.«
»Sie sind Naomis Tochter, und das bedeutet, sie müssen reiten und brauchen nicht um Erlaubnis fragen, wenn Sie ein Pferd möchten.«
»Ich frage aber lieber.«
»Dann satteln wir Justice«, entschied Moses. »Er wird Ihnen gefallen.«
Der Wallach liebte es loszugaloppieren. Obwohl er seit drei Jahren nicht mehr aktiv an Rennen teilnahm, merkte man immer noch, daß er kein reines Reitpferd war.
Wie Moses Kelsey erklärte, war Justice auf der Rennbahn nie absolute Spitze gewesen, aber doch besser als der Durchschnitt, und er hatte während seiner Zeit als Galopper regelmäßig Preisgelder eingebracht.
Doch Kelsey war das egal, auch wenn er jedes Rennen verloren hätte, als er mit ihr auf dem Rücken geradezu über die Hügel flog.
Das Tier reagierte bereitwillig auf den leistesten Schenkeldruck und fiel gehorsam in flüssigen Galopp, als sei es ebenso glücklich wie seine Reiterin, den Morgen im Freien auf den Hügeln und Feldern verbringen zu dürfen.
Jetzt erst wurde Kelsey bewußt, was für ein Vergnügen sie sich seit Jahren versagt hatte. Von jetzt ab würde sie regelmäßig reiten, auch wenn sie einen furchtbaren Muskelkater bekäme. Und wenn sie nicht mehr auf Three Willows war, würde sie versuchen, diesen Sport weiterhin zu betreiben.
Vielleicht würde sie ja auch ihr Apartment aufgeben und aus der Stadt wegziehen. Es gab keinen Grund, warum sie sich nicht ein Häuschen im Grünen und ein Reitpferd zulegen sollte. Selbst wenn sie es in einem Reitstall unterstellen müßte, so etwas konnte man gut arrangieren.
Wenn Moses ihr genug beibrächte, könnte sie sogar in einem Stall arbeiten.
Im Moment aber berauschte sie sich an der klaren, frischen Luft, dem Duft des Grases und der ersten Blumen. Was um alles in der Welt hatte sie nur bewegt, sich den ganzen Tag in einem Büro oder einer Galerie zu vergraben, wenn sie im Freien sein und etwas tun konnte, was ihr Spaß machte?
Lachend warf sie ihr Haar zurück, als sie über einen schmalen Bach hinwegflogen und die nächste Anhöhe hinaufrasten.
Dann sah sie die Gebäude von Longshot vor sich und zügelte Justice.
Kelsey beugte sich vor, tätschelte den Hals des Wallachs und sah sich um. Der Ritt hatte ihr zwar gutgetan, das eigentliche Problem aber nicht gelöst. Sie wußte nach wie vor nicht, wie sie mit Gabe ins reine kommen sollte.
»Improvisation ist alles«, murmelte sie in die Mähne des Pferdes und schnalzte mit der Zunge, um Justice in einem gemäßigtem Trab zu bringen.
Gabe sah Kelsey den Hügel herunterkommen, doch er blieb, wo er war, und beobachtete einen Jährling an der Longe. Er war jetzt weder ruhiger als am Abend vorher, noch hatte sein Verlangen nach ihr nachgelassen. Ihre schlanke Gestalt auf dem majestätischen Vollblüter wirkte ausgesprochen verführerisch.
Er zog noch einmal an seiner Zigarre, stieß lässig den Rauch aus – und wartete ab.
Kelsey hatte sich in ihrem Leben bestimmt schon unbehaglicher gefühlt, als sie abstieg und mit dem Wallach am Zügel auf Gabe zuging. Aber gelöste Probleme erschienen im Rückblick nie so unlösbar wie die, die man noch vor sich hatte.
»Du reitest gut«, bemerkte Gabe. »Ein alter
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