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Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)

Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)

Titel: Schatten über den Weiden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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mußte.
    Die tiefen Furchen im Gesicht, die keine noch so sorgfältige Pflege vertuschen konnte, die geplatzten Äderchen, die unnatürlich glänzenden Augen. Rich Slater war, wie schon vor sechs Jahren und wie die meiste Zeit seines Lebens, betrunken.
    »Was zum Teufel willst du hier?«
    »Ist das eine Art, seinen Alten Herrn zu begrüßen?« Rich lachte herzlich und umarmte, so als ob Gabe froh wäre, ihn zu sehen, seinen Sohn. Sein Atem roch nach Pfefferminz, doch darunter lag der unverkennbare Geruch
von Whisky. Eine Kombination, die Gabe seit je den Magen umdrehte.
    »Ich habe dich gefragt, was du willst.«
    »Bin nur vorbeigekommen, um zu sehen, wie’s dir geht, Sohn.« Er klopfte Gabe auf den Rücken, ehe dieser ausweichen konnte. Rich Slater schwankte nicht, und auch seiner Stimme war nichts anzumerken. Er konnte, ›einen ziemlichen Stiefel‹ vertragen, wie er zu sagen pflegte.
    Bis zur zweiten Flasche, und die gab es immer.
    »Diesmal hast du’s geschafft, Gabe, das große Los gezogen. Steckst nicht mehr bis zum Hals in Schwierigkeiten, was, Sohn?«
    Gabe packte Rich am Arm und zog ihn beiseite. »Wieviel?«
    Obwohl seine Augen funkelten, spielte Rich den Beleidigten. »Nun, Gabe, kann denn ein Vater nicht einmal seinem eigenen Fleisch und Blut ohne Hintergedanken einen Besuch abstatten, ohne daß du denkst, er wäre auf ein Almosen aus? Mir geht es glänzend, das kannst du glauben. Hab’ ein hübsches Sümmchen gewonnen beim Spiel – wie du.« Wieder lachte er auf, während er insgeheim schon kalkulierte, wieviel alles hier wert sein mochte. »Aber ich würd’ nicht seßhaft werden wie du. Du kennst mich, Junge. Ich muß frei und ungebunden sein.«
    Er nahm sich eine Zigarre und ließ ein vergoldetes Feuerzeug mit seinem Monogramm darauf aufschnappen. »So, und wer war das blonde Häschen? Ganz schön sexy. Aber du hattest es ja schon immer mit den Weibern.« Er zwinkerte lustig. »Und sie mit dir. Ganz wie dein Alter Herr.«
    Gabe verlor fast die Geduld: »Wieviel willst du diesmal?«
    »Ich sagte dir doch, keinen Cent.« Keinen Cent, dachte Rich, der zur nahe gelegenen Koppel blickte, wo der Jährling noch immer abgerichtet wurde. Mit ein paar Pferden wie diesem konnte ein Mann einen Haufen Geld machen, einen Haufen Geld. Er wollte keinen Cent, nein er wollte sehr viel mehr.
    »Ein schönes Tier ist das. Ich weiß noch, wie du früher den Pferden auf der Bahn mehr Aufmerksamkeit geschenkt hast als dem Wetter.«
    Und jedesmal hatte ihn dann sein Vater verprügelt, erinnerte sich Gabe. »Ich habe keine Zeit, um mit dir über meine Pferde zu diskutieren, ich muß nämlich arbeiten.«
    »Wenn sich ein Mann so ins gemachte Nest gesetzt hat wie du hier, dann muß er nicht arbeiten.« Oder um sein Leben fürchten, dachte Rich bitter, oder mit kleinen Beträgen zufrieden sein. »Aber ich will dich wirklich nicht aufhalten. Tatsache ist, daß ich ein Weilchen in der Gegend bleiben will, um alte Freunde zu besuchen.« Lächelnd blies er Rauch in die Luft. »Und da ich nun schon einmal hier bin, hätte ich nichts dagegen, ein paar Tage in deinem schicken Haus zu Besuch zu sein.«
    »Ich will dich weder in meinem Haus noch auf meinem Grundstück haben.«
    Richs Lächeln verlor sich. »Ich bin dir wohl nicht mehr gut genug, was? Meinst, du wärst ’n feiner Herr und willst nicht mehr dran erinnert werden, wo du herkommst. Ein Streuner, das bist du, Gabe.« Er bohrte seinem Sohn den Zeigefinger in die Brust. »Und das wirst du immer bleiben, auch wenn du jetzt in einem feinen Haus wohnst und feine Frauen vögelst. Du Strolch! Hast wohl vergessen, wer dir ein Dach über dem Kopf und Essen im Bauch besorgt hat?«
    »Ich habe nicht vergessen, daß ich auf der Straße geschlafen und gehungert habe, weil du jeden Penny versoffen hast, den Mutter verdient hatte.« Er haßte diese Erinnerungen. »Ich habe auch nicht vergessen, daß wir mitten in der Nacht aus irgendeiner stinkenden kleinen Bude hinausgeworfen wurden, weil kein Geld für die Miete da war. Ich habe vieles nicht vergessen, und daß Mutter im Armenhaus starb, sich die Lunge aus dem Leib spuckte, das habe ich bestimmt nicht vergessen.«
    »Ich habe immer mein Bestes getan!«
    »Dein Bestes, daß ich nicht lache! Also, wieviel wird es mich kosten, wenn du hier verschwindest?«
    »Ich muß irgendwo unterkriechen.« Richs Nerven begannen ihn im Stich zu lassen, und seine Stimme klang weinerlich. Dann verlor er die Beherrschung und zog seinen Flachmann aus

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