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Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)

Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)

Titel: Schatten über den Weiden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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deprimierend.
    Hier hatte sie ihre Arbeit, ein Umfeld, das sie bereits zu lieben begann, führte ein Leben, das ihr zusagte, und kam mit Menschen zusammen, die sie akzeptierten.
    Und dann war da noch Gabe.
    Sie würde lügen, wollte sie behaupten, daß er sie nicht faszinierte. Seine Stimmungen, die man nie genau einschätzen konnte, reizten sie. Sie mochte seinen Sinn für Humor, seinen Charme und sogar manchmal seine Arroganz.
    Seine Persönlichkeit beschäftigte sie. Zum Beispiel seine Trauer um Mick. Allein und verlassen hatte er in der Dämmerung gestanden, während Boggs langsam die Trainingsbahn abgeritten war und die Asche des alten Mannes verstreut hatte. Sie erinnerte sich, daß er wortlos ihre Hand gehalten hatte, voller Vertrauen, daß sie dies Ritual verstand.
    Diese Art von Loyalität und Liebe konnte man nicht lernen.
    Und doch war er hart und rücksichtslos gewesen, als es galt, beim Pokern ein kleines Vermögen zu gewinnen. Sogar dieser Zug gefiel ihr; die unbekümmerte Leichtigkeit, mit der er das Haus eines anderen Mannes niedergerissen hatte, um sein eigenes dorthin zu bauen.
    Dazu kam die körperliche Anziehungskraft, die er auf sie ausübte und die sie bei keinem anderen Mann je zuvor empfunden hatte. Noch nicht einmal bei ihrem Ehemann.
    »Kelsey?« Naomi blieb am Treppenabsatz stehen, denn das Mädchen schien ihr so versunken. »Du vermißt Channing wohl schon?«
    »Nein, ich dachte gerade an . . .« Sie brach mitten im Satz ab und blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ach, nichts.« Sie löste sich von diesen Gedanken und schaute Naomi an. Schmal, stark und selbstbeherrscht. »Es war nett von dir, ihm einen Job anzubieten.«
    »Na, so ganz uneigennützig war das nicht. Er ist fleißig und wißbegierig, und ich habe ihn gern um mich. Mein Haus steht schon viel zu lange leer.«
    »Ich glaube, er möchte gern Tierarzt werden.«
    »Das hat er mir erzählt.«
    »Das hat er dir erzählt?« Verblüfft sagte Kelsey: »Mir gegenüber hat er diese Pläne nie erwähnt. Nicht ein einziges
Mal. Ich dachte immer, er wollte unbedingt Chirurg werden wie sein Vater.«
    »Es ist oft leichter, seine geheimen Sehnsüchte einem Außenstehenden anzuvertrauen. Er liebt und bewundert dich sehr, vielleichthater Angst, du wärstvonihmenttäuscht.«
    »Er könnte mich gar nicht enttäuschen«, sie wurde ungeduldig. »Candace redet seit Jahren davon, daß er die Osborne-Tradition fortführen soll. Ich dachte immer, daß das auch sein Wunsch ist. Warum müssen Eltern ihre Kinder bloß immer in solche Schablonen pressen?«
    »Familienehre. Diese vorbestimmten Verpflichtungen finde ich schrecklich.«
    Kelsey öffnete kurz den Mund. War das nicht auch der Grund gewesen, weswegen sie Wade geheiratet hatte? Wie oft hatte man ihr versichert, daß er der perfekte Mann für sie sei, solange, bis sie es selbst geglaubt hatte. Gute Familie, hervorragende Zukunftsaussichten, gesellschaftlich hochangesehen. Schließlich war es ihre Pflicht, eine gute Partie zu machen und nicht unter ihrem Stand zu heiraten.
    Hatte sie Wade eigentlich jemals geliebt?
    »Und wenn man diesen Verpflichtungen nicht nachkommt«, fuhr Kelsey langsam fort, »dann gilt man als Versager. Das wünsche ich Channing wirklich nicht.«
    »Er wird tun, was er will. Wie du.«
    »Schließlich und endlich.«
    »Über schließlich und endlich kannst du urteilen, wenn du in meinem Alter bist. Kelsey . . .« Sie war sich nicht sicher, wie sie beginnen sollte. Ganz beiläufig, sagte sie: »Ich fahre nach Hialeah zum Rennen. Nach allem, was geschehen ist, möchte ich Virginia’ s Pride nicht aus den Augen lassen.«
    »Oh.« Also war nichts mit ihrer letzten gemeinsamen Woche. »Das kann ich verstehen. Wann willst du fahren?«
    »Morgen früh. Willst du nicht mitkommen?«
    »Nach Florida?«
    »Das Schauspiel ist wirklich sehenswert.«
    Ebenso vorsichtig wie Naomi nickte Kelsey. »Ich würde gern mitkommen.«
    »Wunderbar. Wie wär’s, wenn wir uns den Rest des Tages freinehmen?«
    Kelsey machte große Augen. In den letzten drei Wochen hatte sie nicht einmal erlebt, daß Naomi sich mehr als eine Stunde freinahm. »Wofür?«
    »Wofür wohl?« Naomi lachte. »Zum Einkaufen natürlich. Zu einer Reise gehört vorher ein ausgedehnter Einkaufsbummel.«
    Kelseys Augen leuchteten. »Ich hole meine Handtasche.«
     
    In einem schäbigen Hotelzimmer abseits der Route 15 saß Lipsky und stürzte lauwarmen Gin hinunter. Die Eismaschine auf dem Flur hatte ihren Geist

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