Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
nötig.«
»Ach nein?«
»Vielleicht hast du recht, Candace. Ich möchte Dad auf keinen Fall verletzen. Aber was die Leute denken, interessiert mich weniger. Ich will aber deinem gesellschaftlichen Ansehen nicht schaden«, fügte sie hinzu, »und schon gar keine Probleme zwischen euch beiden verursachen.«
»Trotzdem hast du Channing dazu ermutigt, mich zu täuschen und sich an diesem Ort aufzuhalten.«
Unsicherer Boden, dachte Kelsey und verfluchte Channing im stillen dafür, daß er sie in diese Zwickmühle gebracht hatte. »Ich habe ihn ermutigt, auf der Farm zu bleiben, das ist richtig.«
»Und hast ihm damit einen Floh ins Ohr gesetzt. Jetzt spricht er sogar davon, diesen Sommer auf der Farm zu arbeiten.« Mit hochrotem Gesicht umklammerte Candace eine Stuhllehne. »Es genügt schon, daß sie dich eingewikkelt hat, Kelsey, aber ich werde nicht zulassen, daß sie auch noch Channing verdirbt.«
»Du lieber Gott.« Kelsey war mit ihrer Weisheit am Ende. Ungeduldig fuhr sie sich mit der Hand durchs
Haar. »Woher habt ihr bloß eure Vorstellungen? Du hast die Frau noch nie gesehen und stempelst sie trotzdem als ein rücksichtsloses Luder ab, das nur darauf aus ist, junge Männer zu verführen und alles zu zerstören, was ihr in die Hände fällt. Sie hat Channing weder zum Bleiben eingeladen, um ihn zu verderben, noch, um euch eins auszuwischen, sondern meinetwegen. Und den Job hat sie ihm angeboten, weil er großes Interesse am Farmbetrieb zeigte.«
»Das werde ich auf keinen Fall gestatten!« Candace verabscheute selbst den zänkischen Klang ihrer Stimme, aber Kelseys Sturheit brachte sie zur Weißglut. »Ich dulde nicht, daß sich mein Sohn auf der Rennbahn herumtreibt und Umgang mit Spielern und einer Mörderin pflegt.«
Ergeben ließ Kelsey die Hände sinken. »Das ist eine Angelegenheit zwischen dir und Channing.«
»Allerdings. Ich weiß selber, daß ich kein Recht habe, dir Vorschriften zu machen.« Candaces Lippen bebten leicht. Sie hatte sich alle Mühe gegeben, um Kelsey eine Freundin und Vertraute zu sein und nicht die böse Stiefmutter aus dem Märchen. Offenbar hatte sie versagt. »Und selbst wenn ich es tun würde, machtest du doch, was du willst. So wie du es immer getan hast.«
Philip trat auf sie zu. Ihr Ausbruch hatte ihn erschüttert, aber auch verletzt. »Candace, das alles führt doch zu nichts. Schließlich handelt es sich nur um ein Tanzvergnügen.«
»Es tut mit leid, Philip«, ihre Wut wegen der Szene mit Milicent war noch nicht verraucht. Sie betrachtete Milicent nicht nur als Schwiegermutter, sondern als Freundin, als Verbündete. »Aber ich werde doch wohl noch meine Meinung sagen dürfen. Es geht hier nicht nur um den Ball, sondern auch um Loyalität und angemessenes Betragen. So kann es nicht weitergehen, Kelsey. Du hast deinem Vater schon genug Schmerz zugefügt, als du Naomi ihm vorgezogen hast.«
»Empfindest du das so?« Kelsey drehte sich zu ihrem Vater herum. »Glaubst du das wirklich, Dad? Kannst du
denn nicht begreifen, daß ich euch beide gleichermaßen liebe? Daß ich verstehen und vergeben lerne?«
»Du hast Philip überhaupt nichts zu vergeben«, beharrte Candace bissig, »denn er hat nun wirklich alles für dich getan.«
»Ich habe getan, was ich für richtig hielt«, murmelte Philip. »Für mich ist alles sehr schwierig, Kelsey, das gebe ich zu. Aber ich will nach wie vor nur das Beste für dich.«
»Ich versuche ja gerade herauszufinden, was das ist. Und wenn ich das schon nicht weiß, dann will ich wenigstens das Richtige tun. Aber ich will dich auch während dieser Zeit keinesfalls verletzen.«
»Das glaube ich dir sogar«, meinte Candace müde. Sie hatte ihre Stieftochter nie verstanden. Warum sollte sich das jetzt ändern? »Das grundlegende Problem ist immer noch dasselbe, Kelsey. Du marschierst schnurstracks auf dein Ziel zu, ohne nach rechts und links zu schauen, ohne an die Konsequenzen zu denken. Und wenn du erreicht hast, was du wolltest, dann interessiert es dich oft nicht mehr.«
Diese Stegreifanalyse traf Kelsey wie ein Schlag und schürte ihren Ärger noch mehr. »Und das macht mich zu einer kaltherzigen, oberflächlichen Person, was?« Obwohl sie sich anstrengte, konnte sie nicht verhindern, daß ihre Stimme zitterte. »Das wird mir nicht zum erstenmal vorgeworfen, also was soll ich dazu noch sagen?«
»Daß es nicht stimmt.« Philip faßte sie an der Schulter. »Und Candace hat es mit Sicherheit nicht so gemeint. Du hast einen starken
Weitere Kostenlose Bücher