Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
Milicent nippte an ihrem Tee und musterte Kelsey über den Tassenrand hinweg kritisch. »Läßt dich fraulicher erscheinen. Aber du mußt auf dein Gewicht achten, zartknochige Frauen wie du dürfen nicht zu rundlich werden.«
»Fast alles Muskeln.« Um ihre Großmutter zu ärgern, ließ Kelsey ihren Armmuskel spielen. »Das kommt vom Ausmisten und Heu schaufeln.« Lächelnd wandte sie sich der argwöhnischen Candace zu. »Ich würde gern eine Tasse Tee trinken. Keine Angst, ich hab’ nach dem Morgentraining geduscht.«
»Natürlich. Setz dich, Liebes. Philip, du hast mir doch nicht den halben Garten hereingeschleppt?«
»Nicht ein Krümelchen.« Ohne Murren nahm Philip eine Tasse und ein winziges Sandwich entgegen. Wenn Channing nach Hause kam, würde er mit ihm zusammen den Kühlschrank plündern. »Die Azaleen kommen dieses Jahr gut. Der Garten hat noch nie so schön ausgesehen.«
»Das sagst du jedesmal.« Liebevoll tätschelte Candace seine Hand. »Wißt ihr, in dieser Stadt beschäftigt jeder außer uns einen Gärtner, und trotzdem kann sich kein Garten mit unserem messen. Philip vollbringt wahre Wunder.«
»Ein nettes Hobby«, pflichtete Milicent ihr bei. »Auch ich habe stets meine Rosen selbst beschnitten.«
Dann richtete sich ihre Aufmerksamkeit wieder auf Kelsey. Wenigstens hatte das Mädchen genug Verstand besessen, sich angemessen zu kleiden. Sie hatte es für durchaus möglich gehalten, daß Kelsey aus purem Trotz in abgewetzten Jeans und schlammbespritzten Stiefeln erscheinen würde. Aber der aprikosenfarbene Hosenanzug stand ihr vorzüglich und zeugte von gutem Geschmack.
»Nun«, begann sie, »Candace und ich haben gerade die Blumenarrangements für den Frühlingsball durchgesprochen. Wir sitzen im Festkomitee. Du hattest schon immer ein Händchen für solche Sachen, Kelsey. Wir dachten daran, dir diese Aufgabe zu übertragen.«
»Euer Vertrauen in meine Fähigkeiten ehrt mich, aber ich muß leider ablehnen. Ich werde nämlich nicht dabeisein.«
»Nicht beim Ball?« Candace lachte ungläubig auf und schenkte Tee nach. »Aber natürlich nimmst du daran teil, Liebes. Man erwartet es von dir. Mir leuchtet ja durchaus ein, daß die Situation für dich etwas peinlich werden kann,
wo die Scheidung gerade rechtskräftig ist und Wade schon mit seiner neuen Verlobten erscheint, aber über solchen Dingen muß man stehen. Milicent und ich haben gerade eine Lösung für dieses Problem gefunden.«
Kelsey setzte zu einer Erklärung an, doch dann brach sie ab und sagte nur: »So, habt ihr das?«
»In der Tat.« Candace, die sich immer mehr für ihre Idee erwärmte, tat einen Löffel Zucker in ihren Tee. »Es war ja sehr lieb von Channing, dich letztes Jahr zu begleiten, aber wir wollen das doch nicht zur Gewohnheit werden lassen. Jedenfalls werden die Leute weniger reden, wenn du mit einem passenden Begleiter kommst.« Ganz perfekte Gastgeberin reichte sie ein Tablett mit Gurkensandwiches herum. »Zufälligerweise ist der Sohn von June und Roger Miller vor kurzem wieder in seine Heimatstadt gezogen. Du erinnerst dich doch besimmt an Parker, Kelsey. Er hat in New York ein Praktikum als Kieferchirurg absolviert und ist jetzt Teilhaber einer sehr angesehenen Praxis in D. C. Er ist übrigens noch nicht verheiratet«, fügte sie mit einem listigen Lächeln hinzu.
»Richtig, ich erinnere mich.« Aus guter Familie, gesellschaftlich hochangesehen. Er hatte die richtigen Schulen besucht, den richtigen Beruf ergriffen; in den Augen ihrer Familie stimmte einfach alles. Und dafür, daß er ein Abziehbild von Wade Monroe hätte sein können, konnte er nun wirklich nichts.
»Ich habe bereits mit Millers gesprochen.« Sehr zufrieden mit ihrem Schachzug schlürfte Milicent den duftenden Tee. »Parker begleitet dich. Es ist alles arrangiert.«
Typisch, dachte Kelsey und unterdrückte ihren aufsteigenden Zorn. Das hätte sie sich denken können! »Ich bin sicher, Mr. und Mrs. Miller sind froh, ihn wieder bei sich zu haben. Richtet ihm schöne Grüße aus, wenn ihr ihn seht, aber ich nehme an dem Ball nicht teil. Diese Woche noch fahre ich nach Kentucky und komme erst nach dem ersten Maiwochenende zurück.«
»Kentucky?« Milicent setzte ihre Tasse hart ab. »Was in aller Welt hast du in Kentucky verloren?«
»Dort findet das Derby statt. Und das gilt ja sogar in deinen Kreisen als gesellschaftsfähiges Ereignis, Großmutter. Stell dir doch mal vor, wieviel Gesprächsstoff der Sieg eines Pferdes von Three Willows
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