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Schatten über Oxford

Titel: Schatten über Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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Person.«
    »Es macht keinen Sinn, Tote zu behelligen«, gab sie zurück.
    »Aber über meine Gefühle für meine Familie gehst du einfach hinweg, nicht wahr?«
    »Ich muss herausfinden, was da passiert ist.«
    »Ich kann dich offenbar nicht daran hindern«, stellte er fest.
    »Nein.«
    Während des restlichen Abends gab George vor, seine Zeitung zu lesen, während Kate so tat, als sähe sie fern.
    Die Nacht verbrachte sie auf der äußersten Kante von Georges breitem Doppelbett. Sie schlief nur wenig, und wenn sie einmal eindöste, wurde sie von Furcht einflößenden Träumen geweckt.
    George stand am nächsten Morgen schon um halb sieben auf; um Viertel nach sieben verließ er das Haus. Als sich die Tür hinter ihm schloss, empfand Kate eine ungeheuere Erleichterung.
    Jetzt konnte sie sich auf das Treffen mit Alan Barnes konzentrieren.
     
    »Ich fahre. Du musst mich lotsen«, entschied Roz.
    »Das ist ja ein neues Auto!«
    »Zumindest neu für mich«, erklärte ihre Mutter.
    »Und ich dachte immer, dass du eine Art lebenslängliche Verbundenheit für deinen gelben Käfer pflegst.«
    »Der hier beschleunigt besser.«
    »Und ist deutlich flotter.«
    »Wo hast du bloß diese altmodischen Ausdrücke her?«
    »Na gut, dann ist er eben cool. Ey, Mama, da hast du dir ja eine echt geile Schleuder geleistet. Zufrieden?«
    Kaum war sie fünf Minuten aus dem Haus, als sich ihre Laune bereits deutlich besserte.
    »Bis zu den westlichen Vororten von London finde ich den Weg allein«, erklärte Roz. »Danach musst du mir sagen, wie ich fahren soll.«
    Kate hatte einen Stadtplan, und nachdem sie nur wenige Male falsch abgebogen waren, schaffte sie es, Alan Barnes’ Adresse zu finden. Roz hielt vor einem jener Art Doppelhäuser, die man zunächst um 1930 und dann noch einmal um 1950 zu Tausenden aus dem Boden gestampft hatte.
    »Ich mache mich vom Acker«, sagte sie, nachdem sie das Haus genau in Augenschein genommen hatte. Doch es gab nur wenig preis; außerdem sah es exakt so aus wie das Nachbarhaus. »Hast du meine Handynummer?«
    »Habe ich.«
    Jetzt, da sie am Ziel war, verspürte Kate plötzlich eine gewisse Nervosität. Sie wünschte, sie hätte Roz gebeten mitzukommen. Nein, das wäre nicht gut gewesen. Hier musste sie allein durch.
    »Ist ganz bestimmt alles in Ordnung?«, fragte Roz.
    »Aber sicher.«
    Kate ging den kurzen Gartenweg hinauf und klingelte. Roz wartete noch immer neben ihrem Wagen. Kate drehte sich um und winkte ihr zu. Keine Sorge , Roz . Es geht mir gut . Es geht mir wirklich gut .Wenn sie es oft genug wiederholte, würde sie vielleicht irgendwann selbst daran glauben.
    Roz wartete, bis die Tür geöffnet wurde und Kate im Haus verschwand, ehe sie davonfuhr.
    Alan Barnes ging voraus ins Wohnzimmer, das sich an der Vorderseite des Hauses befand. Sein Rücken wirkte zerbrechlich, und die Haut über dem Hemdkragen war von einem durchscheinenden Weiß. Seine Ohren standen weit aus dem wuscheligen, etwas schütteren Haarschopf heraus.
    »Ich bewohne nicht das ganze Haus«, sagte er. »Nur die beiden Räume im Erdgeschoss und die Küche. Außerdem habe ich eine Dusche und eine Toilette für mich allein.«
    »Wie schön.« Kate, die sich im Geiste schon mit dem bevorstehenden Gespräch beschäftigte, nickte.
    Behutsam nahmen sie Platz. Beide setzten sich auf die Stuhlkante, als wollten sie bereit sein, jeden Moment die Flucht zu ergreifen.
    Nach dem Foto in Christophers Kiste hätte Kate Alan Barnes nie und nimmer wiedererkannt. Alles Jugendliche, ja, alles Lebendige schien aus seinem Gesicht verschwunden zu sein. Jegliche Körperpölsterchen waren weggeschmolzen. Es sah aus, als spannte sich seine Haut unmittelbar über seine Knochen und die wichtigsten Muskeln und Blutgefäße. Seine Lippen waren schmal und von merkwürdig dunkler Farbe.
    »Nun, entspreche ich Ihren Erwartungen?«, fragte er, ohne sie aus den Augen zu lassen. Doch Kate wusste, dass auch er ihr Gesicht erforscht hatte, und hoffte, dass das Ergebnis zufriedenstellend ausgefallen war.
    »Sie wissen, warum ich gekommen bin.«
    »Vielleicht sollten Sie mir zunächst mitteilen, wie viel Sie überhaupt schon wissen.«
    Es war, als würden sie beide ihre Gedanken in ein Minimum an Worten kleiden, um Alans schwindende Energie nicht zu sehr zu strapazieren.
    Er lächelte sie an, und sein Lächeln war das eines Toten. »Keine Sorge, noch ist es nicht so weit. Bis ich sterbe, bleiben mir noch etwa ein bis zwei Wochen.«
    Kate fiel ein, dass manche

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