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Schatten über Oxford

Titel: Schatten über Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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der Junge mit seinen Initialen signiert.
    »Vielleicht hatten Elinor Marlyn oder deine Tante – Sadie, nicht wahr? – einen kleinen Freund, der sie ab und zu besuchen kam«, schlug sie vor.
    »Ich glaube, das passt von der Zeit her nicht. Die Bilder müssen aus den vierziger Jahren stammen, aber Elinor wurde um 1900 herum geboren und Sadie im Jahr 1920.«
    Kate rechnete kurz nach. Falls Sadie nicht mit sechzehn oder siebzehn ein Kind bekommen hatte, das bei ihr im Haus wohnte – und nach Georges Erzählungen schien das eher unwahrscheinlich zu sein –, dann konnte C. D. B. nicht zur Familie gehören. Vermutlich würden sie nie herausfinden, wer der Junge gewesen und was mit ihm geschehen war.
    George machte sich bereits daran, die Zeichnungen und das Heft in die Kiste zurückzupacken. Zuletzt legte er den Teddy – oder Hasen – obenauf und ließ den Deckel entschlossen zuschnappen.
    »War sonst nichts weiter drin?«, erkundigte sich Kate.
    »Höchstens noch irgendwelcher Müll«, erwiderte George geringschätzig.
    »Ich würde den Rest aber auch gern noch sehen.«
    »Nimm die Dose, wenn du willst. Ich hätte sie sonst weggeworfen.«
    »Ich würde nur allzu gern wissen, wer dieser Christopher Barnes war und was er im Haus deiner Tante zu suchen hatte.«
    »Ich weiß es wirklich nicht. Aber du wirst es sicher bald herausfinden.«
    Recherche, dachte Kate. So etwas kann man doch sicher auch Recherche nennen, oder? Die Büchse ist alt, aber nicht zu alt. Eine Frau mit Fantasie könnte daraus eine spannende Geschichte machen, die ihre Agentin in Erstaunen versetzt und ihren Verleger entzückt.
    Schnell brachte sie die Dose in ihr Arbeitszimmer und verstaute sie in der Schreibtischschublade, ehe George seine Drohung doch noch wahr machen und sie in den Müll werfen konnte.
     
    »Was um alles in der Welt willst du mit dieser Handtasche anfangen?«, fragte Roz verblüfft. Sie behauptete, den ganzen Weg vom anderen Ende Oxfords gesundheitsbewusst zu Fuß gekommen zu sein, doch Kate war sich ziemlich sicher, etwas Taxiartiges verschwinden gesehen zu haben, als sie die Haustür öffnete.
    »Die hier? Was ist denn damit?«
    »Normalerweise sieht man dich immer nur mit diesen Riesendingern.«
    »Na ja, ich versuche eben auch mal, ein wenig damenhafter zu wirken.«
    »Wirklich anmutig«, sagte Roz, doch es klang ganz und gar nicht nach einem Kompliment.
    »Klein und ordentlich«, erklärte Kate und stopfte ein Taschentuch in das winzige grüne Ledertäschchen.
    »Und wo lässt du deine Schlüssel, die Sonnenbrille, die Haarbürste und …«
    »Ganz einfach: zu Hause. Ich nehme sie nicht mit.« Kate betrachtete die Tasche mit einem gewissen Zweifel. Sie bot nicht einmal Platz für einen Kugelschreiber und ein sehr kleines Notizbuch. Trotzdem: Heutzutage zählte der Schein.
    Roz sah aus, als bereite sie sich darauf vor, ein schwieriges Thema anzuschneiden. »Bist du etwa auf dem Sprung, das Haus zu verlassen?«, fragte sie schließlich.
    »Ja, selbstverständlich«, erwiderte Kate.
    »Na, wunderbar!« Roz hielt inne, als wüsste sie nicht recht wie sie weiterfragen sollte. »Ich war der Meinung, dass du gewisse … äh … Probleme hast, dich in die Welt hinauszuwagen.«
    »Du brauchst mich nicht zu begleiten, falls es das ist, was du vorschlagen wolltest.«
    »Bestimmt nicht?«
    Ganz sicher war sich Kate natürlich nicht, doch ihr war klar geworden, dass sie irgendwann wieder anfangen musste, dem Leben ins Auge zu sehen. Und wenn es heute nicht klappte, dann vielleicht morgen. Jedenfalls arbeitete sie daran. Vorsichtshalber wechselte sie jedoch das Thema.
    »Kannst du dich noch an den Krieg erinnern?«, erkundigte sie sich.
    »Willst du wissen, wie er vom Kinderwagen aus auf mich gewirkt hat?«
    Kate rechnete kurz nach. »Du kannst nicht während des gesamten Krieges im Kinderwagen gesessen haben. Er hat immerhin sechs Jahre gedauert.« Sie erwähnte nicht, dass Roz längst aus dem Kinderwagenalter heraus gewesen sein musste, als der Krieg begann.
    »Ich war viel zu jung, um mich noch an etwas zu erinnern. Bis auf die Fähnchen bei der Siegesfeier. Irgendwie sehe ich sie noch vor mir flattern. Und ich entsinne mich auch an die Hoch-Rufe – aber das alles kommt mir vor wie in weiter Ferne.«
    Roz schien wieder einmal Probleme mit ihrem wahren Alter zu haben, schloss Kate. In dieser Stimmung hatte es keinen Zweck, Dinge von ihr erfahren zu wollen, die mehr als fünfzig Jahre zurücklagen. Etliches mehr als fünfzig Jahre, wenn

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