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Schatten über Oxford

Titel: Schatten über Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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auf den Küchentisch, möglichst weit entfernt von Toast und Marmelade.
    »Eine alte Keksdose«, stellte Kate fest. »Vielleicht war auch ein Früchtekuchen drin. Kennst du sie?«
    »Das ist doch nur Müll«, meinte George geringschätzig.
    »Ich staube sie erst einmal ab«, schlug Kate vor.
    »Das Blech ist so verrostet, dass du sie wohl nicht mehr wirst öffnen können«, warnte George.
    Kate wischte den gröbsten Schmutz ab. Unter dem Staub tauchten rostbefleckte Rosen und Vergissmeinnicht auf.
    »Wahrscheinlich ist eine tote Maus drin«, meinte George.
    Kate stöberte in einer Schublade nach einem Schraubenzieher und versuchte, den Deckel aufzustemmen.
    »Oder eine Ratte«, fügte George hinzu.
    »Wenn du nicht willst, dass ich mir die Dinge anschaue, die du als Kind unter den Bodendielen versteckt hast, dann musst du es nur sagen«, grummelte Kate. »Ich bin durchaus in der Lage, einen Hinweis zu verstehen.«
    »Ich habe als Kind nicht hier gewohnt«, erklärte George. »Alles, was ich versteckt habe, befindet sich in Sams und Emmas Haus.«
    Der Deckel sprang auf und bedeckte den Tisch mit Rostflocken.
    »Aber wem gehörte die Büchse dann? Hast du nicht erzählt, dass das Haus nur von unverheirateten Frauen bewohnt wurde, ehe du es geerbt hast?«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung«, sagte George.
    Das Innere der Dose roch ein wenig muffig, doch der Inhalt stellte sich als einigermaßen sauber heraus. Ganz oben lagen ein Übungsheft und einige lose Blätter Papier. Kate griff nach dem Heft und las, was auf dem Umschlag stand. Die Schrift ähnelte der im Heft auf dem Speicher, doch Kate war sich bewusst, dass es einer kindlichen Schrift häufig an Individualität mangelte, und sie daher nicht sicher sein konnte.
    » ›Christopher Douglas Barnes , 10 Jahre . Tagebuch ‹.«
    »Ich sagte doch, dass es nicht meins ist«, triumphierte George. Vorsichtig griff er in die Dose. »Oh!«, entfuhr es ihm.
    Er hielt ein Kuscheltier in der Hand, das so alt und so zugrunde geliebt war, dass man nicht mehr sagen konnte, ob es sich um einen Teddy oder einen Hasen handelte. Das Tier trug ein blaues Stoffhemd, das mit kleinen, ordentlichen Stichen von Hand genäht war. Aus einem Riss in der Pfote sickerte Sägemehl, und eins der schwarzen Knopfaugen hing nur noch an einem Faden.
    »Ich nehme an, das hat auch nicht dir gehört«, sagte Kate, nahm George das Kuscheltier aus der Hand und schnüffelte daran. Es roch nach Schimmel und Alter.
    »Nein«, erwiderte George und wischte sich Sägemehl von den Fingern. »Ich habe dieses Ding noch nie gesehen.«
    »Dann erzähl mir doch bitte noch ein bisschen mehr von deinen ältlichen, unverheirateten Tanten.«
    George musste über Kates erhobene Augenbrauen lachen. »Sie hatten samt und sonders tadellose Moralvorstellungen und waren Säulen der anglikanischen Kirchengemeinde. Ich weiß wirklich nicht, wie diese Dinge hier ins Haus gekommen sind.«
    Kate stöberte schon wieder in den Dingen, die noch in der Dose lagen.
    »Zeichnungen«, stellte sie fest. »Ich bin fast sicher, dass sie ebenfalls von Christopher Douglas Barnes stammen. Ich glaube kaum, dass ein Mädchen sie gezeichnet hat.«
    Das Papier sah billig aus, war sehr dünn und im Lauf der Jahre vergilbt. Im Lauf wie vieler Jahre wohl?, überlegte Kate. Die Bilder waren mit dicken Wachsmalstiften gemalt worden – mit der Art von Stift, die man häufig in der Grundschule bekam, obwohl man damit nie wirklich vernünftig zeichnen konnte. Auf einem der Blätter erkannte man die Umrisse von Flugzeugen, manchmal von der Seite und manchmal von unten gesehen. Sie trugen Hakenkreuze und waren in kindlicher Handschrift mit einem roten, wischfesten Stift beschriftet. Me 109 , Me 110 , Junkers 87 , Junkers 88 , Heinkel 111 , Dornier 17 .In der rechten unteren Ecke fanden sich die Initialen C. D. B.
    »Christopher Douglas Barnes. Bist du sicher, dass du den Namen noch nie gehört hast?«
    »Wirklich nicht. Ganz ehrlich!«
    Das nächste Bild zeigte weitere deutsche Flugzeuge, aus deren Bäuchen dicke, mit schwarzem Stift ausgemalte Bomben auf ein kindlich gezeichnetes Haus fielen. Das Haus schien zu explodieren; im Dach klaffte ein großes, zackiges Loch. Rings um das Haus lagen zerbrochene Möbelstücke und Leichen, denen Körperteile fehlten, in großen Blutlachen. Am unteren Rand der Zeichnung stand: High Corner , Armitage Road .Das muss ganz hier in der Nähe sein, dachte Kate. Ein paar hundert Meter vielleicht. Auch dieses Bild hatte

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