Schatten über Oxford
die Stirn und überlegte, wie sie den Gedanken anders formulieren könnte.
»Bist du sicher, dass du das schaffst?« George hatte ihr Stirnrunzeln wahrgenommen, den Grund dafür jedoch falsch gedeutet. »Oder soll ich Emma lieber selbst anrufen?«
»Natürlich nicht!« Kate strahlte ihn an. »Emma und ich sind schließlich seit langer Zeit befreundet. Ich kümmere mich jetzt sofort darum.«
»Sag ihr, dass sie natürlich eingeladen sind«, bat George. »Emma wird immer ziemlich nervös bei der Vorstellung, sie und Sam könnten Geld für nicht unbedingt notwendige Dinge ausgeben.«
Kate nahm das schnurlose Telefon mit in die Küche. Sie wollte nicht, dass George ihr beim Schauspielern zuhörte. Nicht, dass er noch auf die – selbstverständlich irrige – Idee kam, sie könne ihm gegenüber auch manchmal nicht ganz ehrlich sein!
»Emma? Hier ist Kate. George und ich würden gern irgendwann in der kommenden Woche mit euch zu Abend essen.«
»Wo? Bei George zu Hause?«, fragte Emma misstrauisch. Kate unterdrückte einen Seufzer.
»Nein, nicht bei uns«, sagte sie dann mit fester Stimme. Sie wusste, dass Emma ihr vorwarf, mit der Zuneigung von Männern nur zu spielen, und ständig in der Erwartung lebte, dass sie mit George brach und ihn mit gebrochenem Herzen zurückließ. »Hast du schon von dem tollen neuen Restaurant in der Woodstock Road gehört?«
»Nein«, antwortete Emma.
»Jedenfalls existiert es, das darfst du mir glauben«, konterte Kate.
»Wenn du meinst!« Emma klang, als täte sie Kate einen großen Gefallen. »Bei uns passt es allerdings am Wochenende besser als in der Woche«, fügte sie einen Hauch freundlicher hinzu. »Freitag oder Samstag.«
»Freitag oder Samstag?« Kate spähte fragend ins Wohnzimmer.
»Freitag«, sagte George, ohne den Blick von seiner Zeitung zu heben.
»Also Freitag«, wiederholte Kate in den Hörer.
»Ist es ein sehr teures Restaurant?« Emmas Stimme klang jetzt wieder misstrauisch.
»Keine Ahnung. George lädt uns alle ein.«
»Oh!« Emmas Stimme klang ungeheuer erleichtert, doch sie brachte es nicht fertig, sich spontan zu bedanken. »Vermutlich sollten wir uns ein bisschen auftakeln«, fuhr sie unsicher fort.
»Klar doch! An einem solchen Abend sind schicke Klamotten angesagt«, stimmte Kate ihr zu und hoffte, dass Emma so etwas besaß und obendrein auch noch hineinpasste. Ein klaffender, mit einer großen Sicherheitsnadel notdürftig gehaltener Reißverschluss verschandelte selbst die angesagteste Abendgarderobe, fand Kate.
»Und du benimmst dich, nicht wahr, Kate?«
»Aber natürlich!« Was zum Teufel wollte Emma? »Mir ist durchaus bekannt, dass man Erbsen nicht mit dem Messer isst.«
»Du weißt sehr genau, was ich meine«, kam die scharfe Stimme der Freundin durch die Leitung.
»Keine Sorge. Ich werde dem guten Namen der Dolbys alle Ehre machen.«
»Unser Name gilt wirklich etwas in dieser Stadt«, erklärte Emma streng.
Oh ja, er stand für Achtbarkeit, Konventionalität, gutes Benehmen und für einen Stadtrat – Kate war sich dessen durchaus bewusst. »Ich hatte eigentlich nicht vor, Brotkügelchen über den Tisch zu werfen. Und ich werde auch nicht das Kleid mit dem tiefen Rückenausschnitt tragen, das du so anstößig findest …«
»… weil nicht nur der Rückenausschnitt tief ist«, unterbrach Emma, die offenbar sehr genau wusste, von welchem Kleid Kate sprach.
»Irgendwann werde ich diese Familie einmal begreifen – vermute ich zumindest«, stellte Kate fest.
»Hoffentlich! Aber ich kann wirklich nicht den ganzen Abend hier herumstehen und schwatzen, Kate. Dazu habe ich viel zu viel zu tun.«
Aha, und ich also nicht, dachte Kate, während sie auflegte.
»Mir ist nie klar gewesen, wie kompliziert Familien sein können«, sagte sie und setzte sich neben George auf die Couch.
»Kompliziert? Ich finde nicht, dass wir kompliziert sind«, gab er zurück.
»Ich meine dieses ständige Verhandeln und die dauernde Rücksichtnahme auf die Befindlichkeiten des Einzelnen.«
»Funktioniert das nicht in allen Familien so?« Seine Aufmerksamkeit galt immer noch der Zeitung.
»Kann schon sein, aber ich hatte es bisher nie nötig. Meine Familie bestand aus Roz, und die war eigentlich nie da.«
»Ich bin dagegen gut in Übung. Die Dolbys brachten in jeder Generation einen Nachkommen hervor, der Familienplanung im ganz großen Stil betrieb.«
»Sam und Emma.«
»Ganz genau. Die beiden machen meine Kinderlosigkeit mehr als wett. Und meine Eltern
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