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Schatten über Oxford

Titel: Schatten über Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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machten die Kinderlosigkeit einiger unverheirateter Tanten wett. Mit anderen Worten, ich besitze eine Riesenverwandtschaft.«
    Sowie ein ordentliches Familienvermögen und einen überdimensionierten Familienstolz, dachte Kate.
    »Wie lang ist dein Vater schon tot? Zwanzig Jahre?«, fragte George.
    »Länger. Und er war ein Einzelkind, genau wie Roz. Ich besitze also weder Cousins und Cousinen noch Tanten oder Onkel.«
    »Auch niemanden aus der Generation davor?«
    »Ich glaube nicht. Jedenfalls habe ich nie jemanden kennen gelernt. Vielleicht hat es ja irgendwann einmal einen großen Streit in meiner Familie gegeben«, meinte sie hoffnungsvoll. »Oder ein anrüchiges Geheimnis, über das nie gesprochen werden durfte.«
    »Oder sie sind einfach nur alle gestorben oder nie geboren worden.«
    »Meine Version hört sich irgendwie aufregender an, findest du nicht?«
    »Schon, aber sie entspringt vermutlich nur deiner Fantasie.«
    »Darin liegt nun einmal meine Stärke.«
    Beide verstummten. Über Kates Schreibblockade sprachen sie nicht gern.
    »Ich werde es schaffen«, sagte Kate schließlich. »Ich stecke voller Ideen.« Sie wussten beide, was sie meinte. »Gleich morgen früh fange ich an, Elspeths Hinweisen nachzugehen.«
    »Wer ist Elspeth?«
    »Die Pfarrerin mit dem Nasenstecker.«
    »Vielleicht sollten wir sie und ihren Mann zu unserem Dinner am Freitag einladen.«
    »Und Emma zur Weißglut bringen?«
    George lächelte. Vielleicht war auch er es müde, durch die unvorhersehbaren Untiefen familiärer Verbindungen zu rudern
    »Außerdem weiß ich nicht, ob sie überhaupt verheiratet ist«,stellte Kate fest.
    »Wie ich dich kenne, wirst du es bald in Erfahrung bringen.«
    »Aber so neugierig bin ich doch gar nicht, oder?«
    »Oh doch«, sagte George. »Doch, das bist du.«

5
    Am folgenden Morgen, nachdem George zur Arbeit gegangen war, fand Kate keine Entschuldigung mehr, sich um ihre eigene Aufgabe zu drücken.
    Sie hatte das Frühstücksgeschirr gespült und die Küche aufgeräumt. Sie hatte die Sofakissen aufgeschüttelt und das Bett gemacht. Sie hatte sogar eine Ladung Wäsche in die Waschmaschine gesteckt, die im Hintergrund vor sich hin brummte.
    Kate brühte sich eine weitere Tasse Kaffee auf, widerstand der Versuchung, einen Schokoladenkeks dazu zu knabbern, und betrachtete ihre spärlichen Notizen vom Vortag.
    Violet Watts , Oswald Court .Die Worte standen einsam mitten auf einer ansonsten leeren Seite.
    Oswald Court befand sich nur einen kurzen, strammen Fußmarsch entfernt. Einen Fußmarsch, den eine gesunde Frau in den Dreißigern an einem sonnigen, etwas windigen Morgen problemlos bewältigen konnte.
    Es gab keine Ausrede mehr, beschloss Kate, und ging in ihr Zimmer, um sich so anzuziehen, wie sie es für den Besuch bei einer älteren Dame für angemessen hielt. Wenn sie Elspeth richtig verstanden hatte, konnte Violet Watt manchmal ziemlich biestig sein.
    Oder sollte sie lieber vorher anrufen? Nein, das machte wenig Sinn. Es war kaum anzunehmen, dass die Bewohner von Oswald Court einen Stadtbummel machten oder sich auf den Tennisplätzen im Park vergnügten. Eher schon musste Kate mit einer Reihe von Stühlen vor einem laufenden Fernseher rechnen und mit einer mühsam in voller Lautstärke geführten Unterhaltung, weil das Hörgerät im runzligen Ohr nicht richtig funktionierte.
    Sie entschied sich für einen Rock, der die Knie bedeckte, zog ein Leinenjackett an, stellte sicher, dass sich in ihrer Handtasche Papier und Stift befanden, und öffnete die Haustür.
    Dieses Mal war es längst nicht mehr so schlimm. Mit etwas Übung würde sie sicher eines Tages wieder lernen, einen Spaziergang zu genießen. Sie brachte es sogar fertig, eine Frau zu begrüßen, die im Vorgarten von Nummer 8 Unkraut jätete, und dem Milchmann, der in seinem Auto saß und Kleingeld zählte, freundlich zuzulächeln. Um den wütenden Köter von Nummer 14 machte sie einen weiten Bogen und fühlte sich frisch und munter, als sie zehn Minuten später das langgestreckte, niedrige Gebäude von Oswald Court erreichte.
    Das Haus sah aus, als stamme es aus den sechziger Jahren. Die dunklen Backsteine hätten dringend einer Reinigung bedurft, und an den großen Fenstern hingen überall die gleichen langweiligen mittelblauen Vorhänge, die einen Passanten geradezu aufforderten, einen Blick in die Zimmer zu riskieren, anstatt den Bewohnern die Aussicht nach draußen zu gestatten. Das Innere des Hauses wirkte wie eine fremde Welt, in der

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