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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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Die
sogenannte Straße war nichts als eine sandige Bahn, die manchmal mehr, manchmal
weniger vom Wurzelwerk der hohen Kiefern durchzogen war. Eine solche Wurzel
hatte der Achse wohl den Rest gegeben.
    Er erinnerte sich,
dass irgendwann die Häuser von Zehlendorf neben der Kutsche aufgetaucht waren.
Die Sonne stand bereits hoch am Himmel. Berlin konnte nicht mehr weit sein.
    »Wo sind wir hier?«,
fragte er den Jungen, der die Bagage am Wegesrand zusammengetragen hatte. Die
Pferde waren an einem Baum festgebunden und verhielten sich wieder ruhig.
    »Fast in Steglitz,
Herr.«
    »Sind wir unterwegs
Brede schon begegnet?«
    »Nein, ich glaube
nicht.«
    »Du glaubst nicht?
Hast du nicht aufgepasst, Kerl?«
    Franz blickte zu
Boden. »Doch … ich bin sicher.«
    »Er wollte doch
heute zurückkehren, oder? Dann wird er noch kommen. Du wartest hier auf ihn. Er
wird dir helfen, und ihr könnt gemeinsam die Pferde nach Potsdam oder nach
Berlin bringen. Und ich muss nun sehen, wie ich nach Berlin komme.« Quantz
blickte die Straße entlang.
    »Vielleicht kann ich
Euch ein Pferd zum Reiten überlassen?«, schlug Franz vor, der sichtlich froh
war, dass sein Fahrgast ihn angesichts des Unfalls milde behandelte und auch
noch Vorschläge machte, wie es weiterging.
    »Kein schlechter
Gedanke. Das könnten wir versuchen. Und wenn Brede nicht kommt, reitest du mit
dem anderen Gaul zurück. Du kannst doch reiten, oder nicht?«
    »Natürlich.« Jetzt
schwang Stolz in Franz’ Stimme mit. »Ich bin mit Pferden groß geworden.«
    Quantz musste
lächeln. Groß? Der Knabe war höchstens fünfzehn. Doch mit den Tieren kam er
offensichtlich gut zurecht. Franz band eines der Pferde los und sprach dabei
beruhigend auf es ein.
    »Ich habe allerdings
keinen Sattel«, sagte er. »Und was geschieht mit Eurem Gepäck?«
    Quantz überlegte. Er
hatte heute Abend im Schloss Monbijou zu musizieren. Dafür brauchte er seine
beste Kleidung, seine Noten und natürlich …
    Hoffentlich war
seiner Flöte nichts geschehen! Er schob einen der Koffer zur Seite, öffnete
ihn, holte die Schatulle heraus. Es war ein mit Samt ausgeschlagener Kasten mit
vier Vertiefungen, in die die Teile genau hineinpassten.
    Franz sah neugierig
herüber. Wahrscheinlich hatte er noch nie ein solches Instrument gesehen.
    »Ist das eine der
Pfeifen, die der König spielt?«, fragte der Junge.
    »Es ist eine
Querflöte. Aber die spielt nicht der König, sondern ich. Vielleicht aber werde
ich mit Seiner Majestät zusammen musizieren.«
    Franz sah die
Schatulle an, als wäre sie etwas Heiliges. Er hob die Hand und streckte den
Finger aus. Es schien, als hätte er sie gern berührt, wagte es aber nicht.
Dieses Ding da hatte etwas mit dem König zu tun. Es war in der Nähe des Monarchen
gewesen und würde wieder in seiner Nähe sein. Friedrich hatte es sogar berührt.
Wenn man es ansah, blickte man sozusagen auch ein wenig auf den König selbst
und bekam etwas von seinem Glanz ab. Es entstand eine andächtige Stille.
    In diesen Moment hinein
platzte fernes Hufgetrappel. Das typische Kollern näherte sich aus der
Potsdamer Richtung. Quantz packte die Schatulle weg und erhob sich, wobei er
wieder gegen das Stechen in seinem Rücken ankämpfte. Dann sah er der Kutsche
entgegen, die zwischen den Bäumen erschien.
    Kaum hatte der
Kutscher bemerkt, was auf der Straße geschehen war, zügelte er die Pferde. Aus
dem Fahrzeug erscholl eine Stimme: » Arrêter … Anhalten …« Ein Mann steckte den Kopf aus dem Seitenfenster und grinste Quantz entgegen,
als sei hier kein Unglück geschehen, sondern als finde ein Volksfest statt.
    Das Gefährt kam zum
Stehen. Noch als sich der aufgewirbelte Straßenstaub senkte, stiegen zwei
Männer aus.
    Der eine war der
Marquis d’Argens – seines Zeichens Friedrichs Kammerherr und somit ein enger
Vertrauter des Königs. Der Marquis erkannte Quantz und begrüßte ihn, während
der andere neugierig um die havarierte Kutsche herumstrich. Er war derjenige,
der aus dem Fenster gegrinst hatte. Aber jetzt wurde Quantz klar, dass diese
Miene in das Vollmondgesicht eingegraben war.
    »Bonheur«, rief der
Mann fröhlich. »Welch ein Glück Sie gehabt haben, Monsieur. Man kann Ihnen nur
gratulieren.« Die Stimme war Quantz vom ersten Moment an unangenehm. Sie
schnitt ihm hell und näselnd in die Ohren. Wenn sie ein Lichtstrahl gewesen
wäre, hätte man die Augen schließen müssen, weil sie blendete.
    »Darf ich vorstellen …« D’Argens deutete auf den kleinen Mann

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