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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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schmales
Stück der Bank bleibt, auf dem Sie sich niederlassen können«, sagte d’Argens.
    »Aber Monsieur
Quantz hat ebenfalls Gepäck«, rief La Mettrie.
    Nach etwas Hin und
Her beschlossen sie, Quantz’ Koffer noch in die Kabine zu stopfen. Er selbst
musste sich neben den Fuhrmann auf den Bock quetschen. Für einen Mann seines
Ranges und seiner Position am Hofe war das eigentlich nicht der richtige Platz
zum Reisen, doch die Zeit wurde knapp. So ließ er Franz und den Kutscher der
beiden Franzosen seine Koffer verstauen. Sie stiegen zu, und es ging weiter in
Richtung Berlin.
    Quantz versuchte,
die entspannte Atmosphäre der ersten Weghälfte wiederherzustellen, doch es
wollte ihm nicht gelingen. Es war eben etwas ganz anderes, hier oben im Freien
auf dem schwankenden Bock zu sitzen und sich auch noch bei jeder Unebenheit des
Weges festhalten zu müssen.
    Sie passierten
Steglitz, und Quantz freute sich darauf, in der Ferne den Kreuzberg auftauchen
zu sehen. Dann war es nicht mehr weit bis zum Potsdamer Tor.
    Nach und nach wurde
ihm bewusst, dass sich d’Argens und La Mettrie lautstark auf Französisch
unterhielten. Wenn die Kutsche langsamer fuhr, konnte Quantz deutlich die
einzelnen Worte verstehen, die aus der Kabine drangen.
    »Und wissen Sie, was
ich dann geschrieben habe?«, fragte La Mettries schneidende Stimme gerade. »Das
glauben Sie nicht … Sie kommen nie drauf …«
    »Was ich glaube oder
nicht, ist völlig egal, denn Sie werden es mir gleich sagen«, brummte d’Argens,
als ob ihn das Gespräch langweile.
    »Hören Sie gut zu,
mein lieber Marquis, und achten Sie auf die Feinheit der Formulierung. Hören
Sie: Ein Genuss, egal welcher, darf niemals Reue verursachen. Was sagen Sie
nun? So wenige Worte. Und so treffend. Denn das ist es doch, woran die Menschen
leiden, und das ganz überflüssigerweise. Sie glauben, sie müssten Schuldgefühle
haben, wenn sie genießen. Aber Schuldgefühle sind unvernünftig und haben daher
keine Existenzberechtigung. Sie zerstören das Glück. Glück mit Reue gibt es
nicht. Glück mit Schuldgefühlen gibt es nicht. Also nur ohne diese.«
    D’Argens lachte auf.
»Von Ihnen, mein lieber La Mettrie, habe ich nichts anderes erwartet. Aber
machen Sie es sich da nicht etwas einfach? Ich kenne eine Menge Leute, die
anderer Ansicht wären. Schließlich gibt es auch unmoralische Genüsse. Und wer
Moral empfindet, empfindet auch Reue. Denken Sie nur an alle bekennenden
Christen – um mal klein anzufangen.«
    »Aber das ändert
doch nichts daran, dass ich recht habe«, rief La Mettrie. »Ich sage ja nicht,
wo die Reue herkommt. Ich sage nur, dass sie das Glück schmälert und
vernichtet. Ich werde darüber schreiben, und alle Welt wird es lesen. Und wenn
die alten Pfaffen über mich herziehen, wird mich der König beschützen.«
    »Wir sprechen immer
nur davon, was Sie schreiben und was Sie denken, lieber La Mettrie. Denken Sie doch mal an den
Roman, den ich gerade schreibe.«
    »Die Geschichte von
der Jungfrau, die es mit einem Priester treibt?« La Mettrie brach in Gelächter
aus. »Da haben Sie es ja. Ein gutes Beispiel. Wissen Sie was? Das werde ich
zitieren. Die Pfaffen sind ja selbst die Größten darin, die viel beschworene
Reue über den Haufen zu werfen, wenn es einer angeblich unmoralischen
Befriedigung dient.«
    »Angeblich
unmoralisch? Na hören Sie! Der Priester erklärt in der Geschichte einer
ahnungslosen und naiven Jungfrau, sein Geschlechtsorgan sei der Strick des
heiligen Franziskus. Durch diese plumpe Täuschung gelingt es ihm, das Mädchen
zum Geschlechtsverkehr zu bewegen. Dieses Glück, das er genossen hat – sollte
es keine Reue zeitigen? Keine Schuldgefühle? Er hat immerhin ein Verbrechen
begangen!«
    Quantz spitzte die
Ohren. Die beiden hatten ja brisante Gesprächsthemen. Beide Herren stellten die
Grundsätze der Moral in Frage. Der eine verpackte seine Thesen in
philosophische Vorträge, der andere in einen pornografischen Roman.
    Ob es ihnen egal
war, dass er zuhörte? Sicher wussten sie nicht, wie gut er des Französischen
mächtig war. Quantz blickte zu dem Kutscher, aber der verstand nichts.
    »Sie machen den
Fehler, lieber Marquis, gleich Moral zu predigen. Betrachten wir doch einmal
das Glück Ihres Priesters als solches. Für sich sozusagen. Lösen wir es aus der
Tat der Schändung heraus.«
    »Ich versuche es,
aber es will mir nicht gelingen.«
    »Ich denke, mein
Lieber, Sie sind intelligent genug. Also, das Glück, das dieser

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