Schatten über Sanssouci
Ihre Stimme schlug ins
Weinerliche um. »Eine Frau gehört zu ihrem Mann. In Potsdam darf ich jedoch
nicht wohnen. Was soll das für ein Leben sein, das du mir da bietest?«
Quantz presste die
Lippen zusammen. Er hatte in den Jahren gelernt zu schweigen, wenn es
angebracht war.
»Du lässt mich
versauern wie Friedrich seine Gemahlin in Schönhausen. Wie oft habe ich dich in
diesem Jahr, das nun schon in den fünften Monat geht, gesehen? Zweimal?
Dreimal? Und auf meinen Brief hast du ebenfalls nicht geantwortet. Ich bin
allein. Arm und krank …«
Quantz konnte nicht
an sich halten. Wahrscheinlich waren es die Erwähnung des Königs und Annas
absurder Vergleich ihrer eigenen Lage mit der der vom Monarchen getrennt
lebenden Königin, die ihn reizten. »Ich denke, dass du genug Geld bekommst«,
fuhr er auf. »Eintausend Taler im Jahr – das ist das Dreifache dessen, was ein
Hofmusiker erhält. Der muss aber damit auch noch für eine ganze Familie sorgen.
Und es ist genau die Hälfte dessen, was mir Seine Majestät gibt. Du kannst dich
also nicht beklagen.«
»Die Hälfte? Doch
ohne die Flöten und die Konzerte, die du für den König machst.«
»Ich mache die
Konzerte nicht, ich komponiere sie. Es ist eine Kunst.«
»Wie auch immer. Das
ist mir völlig egal. Welchen Himmel hast du mir versprochen, als ich dir das
Jawort gegeben habe. Du hast gesagt, du seist einer der Vertrauten des Prinzen …«
»Das war ich auch,
und das bin ich immer noch, seit er König ist.«
»Und wo bleiben sie,
die großen Empfänge, die Gesellschaften, wo bleibt der Glanz eines höfischen
Lebens? Du hast mir so viel von deinen Reisen erzählt – von dem Leben bei den
Königen in Frankreich, den Fürsten in Italien … Ich dachte, all das stünde
mir auch hier offen. Ein Leben in Pracht und Fülle.«
»Es ist nicht meine
Schuld, wenn Seine Majestät diese Art von prunkvollen Festen an seinem Hofstaat
nicht wünscht und seinen Interessen lieber privat nachgeht. Er ist ein sparsamer
Monarch. Du solltest dir an ihm ein Beispiel nehmen.«
»Ich? An unserem
König?« Annas Stimmlage erhöhte sich um mindestens eine Terz, dabei entstand
auf ihren Wangen ein blasser Rosaton, der sie eine Spur gesünder aussehen ließ.
All die Aderlässe, all die Schwitzkuren, Pasten, Tropfen und Bäder könnte sie
sich sparen, wenn sie sich nur mit Menschen umgeben, Gespräche führen und sich
hin und wieder ein wenig streiten würde.
»Du verprasst
tausend Taler«, rief er. »Und gibst noch nicht einmal viel Geld für Essen aus.
Wie viele Quacksalber leben denn von meinem Geld?«
»Deinem Geld?«
»Und du beschäftigst
zwei Dienstboten. Reicht dir einer nicht? Du lebst auf größerem Fuße als ich in
Potsdam. Muss ich mir das gefallen lassen?«
Hinter der Tür war
Stoffrascheln zu hören. Eine Diele knackte. Quantz war sicher, dass Anton und
Klara lauschten. Sie hatten ja auch nichts anderes zu tun. Wegen der schmalen
Kost in diesem Hause musste Klara selten kochen, und Anton hatte das Gepäck in
Quantz’ Zimmer gebracht und die Koffer ausgepackt, womit seine Aufgabe erfüllt
war. Quantz würde in seiner Kammer vor dem Konzert im Schloss noch ein wenig
üben und später dort die Nacht verbringen. Doch nichts auf der Welt konnte ihn
dazu bringen, mit der früh gealterten, zeternden Mamsell, die seine Ehefrau
war, das Bett zu teilen.
»Gefallen lassen?«
Annas Stimme schraubte sich weiter nach oben. »Ein Ehemann hat vor Gott und der
Welt nicht nur die Pflicht, seine Frau materiell zu versorgen. Es gibt auch andere
eheliche Pflichten. Und du bist nicht in der Lage dazu, und so sind wir
kinderlos geblieben.«
Das Gespräch war nun
endgültig in eine neue Phase getreten, die Quantz ebenfalls zur Genüge kannte.
Die des Selbstmitleids.
»Wenn mein seliger
Vater das noch erleben würde … Wenn er sehen würde, was aus seiner Tochter
geworden ist. Wo doch auch er so große Erwartungen in diese Verbindung gesetzt
hat.« Sie sah in ihren Schoß und schüttelte den Kopf.
Quantz’
Schwiegervater war Soldat gewesen, der es immerhin zum Hauptmann in bayerischen
Diensten gebracht hatte, aber heftig der Trunksucht zugetan war. Die einzige
Aufgabe seiner Kompanie hatte darin bestanden, die Festung Braunau zu bewachen.
Als Quantz ihn in seiner Dienstwohnung gleich neben den Festungsmauern besucht
hatte, um ihn um Annas Hand zu bitten, war der alte Hölzel gar nicht in der
Lage gewesen, seinen Antrag entgegenzunehmen. In voller Montur, blöde vor sich
hin
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