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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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Wachsoldaten wussten, mit wem sie es zu tun hatten.
    Gleich hinter dem
Tor lag das Haus, in dem Anna, Quantz’ Ehefrau, wohnte. La Mettrie und d’Argens
setzten ihn in der engen Straße ab. Der lange Anton, der bei Anna Hausdiener
war, kam aus der Tür und lud das Gepäck aus.
    » Au
revoir , Monsieur«, rief La Mettrie. »Auf Wiedersehen. Es war sehr nett,
Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben. Wissen Sie was? Besuchen Sie mich, wenn
wir beide wieder in Potsdam sind. Ich logiere im Gasthaus ›La Couronne d’Or‹.«
    Quantz musste einen
Moment überlegen, was er meinte, doch d’Argens übersetzte schon: »Er meint die
›Goldene Krone‹.«
    »Ganz recht«, krähte
La Mettrie. »›Die Goldene Krone‹.«
    Der Kutscher trieb
die Pferde an, und das Gefährt setzte sich in Bewegung.
    Quantz nickte Anton
zu, der sich die Koffer auflud. Langsam betrat er das Haus und bereitete sich
innerlich auf die Begegnung mit seiner Frau vor.
    ***
    Die Stube, in
die Andreas geführt wurde, war heller als das Verlies. Auch hier waren die
Wände von rohem Stein, es gab kein Fenster, aber Kerzen brannten. Ein Tisch,
ein Stuhl und eine schmale Bank bildeten die karge Einrichtung.
    »Du bist folgsam«,
sagte der Mann, der Andreas wuchtig erschien – wie der Bär, den Andreas voriges
Jahr auf dem Markt gesehen hatte. »Das ist gut. Setz dich an diesen Tisch. Hier
wirst du arbeiten.«
    Arbeiten? Was sollte
er hier schon arbeiten? Die Angst, die ihn vorhin noch in Panik versetzt hatte,
war zu einem dumpfen Klumpen geworden und in seinen Bauch gewandert.
    »Ich habe gesagt,
setzen.«
    Eine Faust pfiff
heran und traf ihn. Andreas knallte gegen den Tisch. Einen Moment war Andreas
wie betäubt, dann erfasste ihn eine heftige Welle aus Schmerz, der in einem
pulsierenden Rhythmus pochte.
    »Setzen, verstehst
du mich nicht?«
    Andreas griff nach
dem Stuhl und zog sich hoch. Er befühlte sein Gesicht. Blut klebte an seinen
Fingern.
    »Scheinst doch nicht
so folgsam zu sein.«
    Schließlich saß er
auf der Stuhlkante.
    »Na also.«
    Andreas sah vor sich
auf die Tischplatte. Der Mann entfernte sich, dann näherten sich seine Schritte
wieder, und er legte etwas auf den Tisch.
    »Schau, was ich dir
gebracht habe. Das kennst du doch, oder?«
    Andreas fasste ins
Auge, was da lag. Ja, er kannte es. Es war Papier. Ein ganzer Stapel.
    Doch es war nicht
irgendeine Sorte Papier. Es waren Bögen mit den fünflinigen Systemen.
Notenpapier.

8
    »Du siehst
müde aus«, sagte Anna. In ihrem Blick schwang Besorgnis mit. Quantz war jedoch
klar, dass sie sich nicht um seine Gesundheit sorgte. In den neun Jahren, in
denen sie verheiratet waren, hatte er längst gelernt, dass es ihr nur um eines
ging: um Geld. Wenn er also müde aussah, konnte es sein, dass er krank war, und
das bedeutete, dass Gefahr für ihr Salär bestand.
    »Bist du sicher,
dass du gesund bist?« Sie hob die Augenbrauen, die sich von ihrer
außergewöhnlich hellen Haut abzeichneten wie dicke Tintenstriche. Schwarz war
auch ihr Gewand, das sie als Witwe kennzeichnete, als hätte sie nach dem Tod
ihres ersten Mannes kein zweites Mal geheiratet.
    »Das sollte ich eher
dich fragen«, entgegnete Quantz, obwohl er es hasste, sich auf das
Lieblingsthema seiner Frau einzulassen – Gesundheit und Ärzte, oder zumindest
das, was Anna unter Ärzten verstand. Es waren Quacksalber und Halsabschneider,
die ihren Patienten vorgaukelten, ihnen mit Aderlass, Inhalation vom Rauch
kostspieliger getrockneter Kräuter oder irgendwelcher Bäder mit nicht minder
teuren Essenzen helfen zu können.
    Klara, die Magd,
brachte Brot und Quark mit Zwiebeln – eine Kombination, die man in Berlin
»Mutz« nannte. Quantz stocherte ein wenig darin herum und stieß auf ein paar
Stücke von klein gehacktem Hering. Er nahm einen Bissen, doch obwohl er hungrig
war, schob er den Teller weg. Die Atmosphäre in diesem Haus drückte ihn nieder
wie ein Gewicht auf seinen Schultern.
    »Schmeckt es dir
nicht?« Anna sah ihn an, als habe sie nur darauf gewartet, dass Quantz etwas
auszusetzen hatte. »Du weißt, dass ich mir nichts anderes leisten kann. Ich bin
eine schwer kranke Frau. Außerdem gehört Fisch zu den wenigen Dingen, die ich
noch vertrage. In meinem Alter muss ich vorsichtig sein. Das sagen die Ärzte
auch immer …«
    Anna war mehr als
zehn Jahre jünger als Quantz.
    »Ich sehe nicht
ein«, fuhr sie fort, »dass ich teure Lebensmittel auf Vorrat halte, nur weil du
alle Jubeljahre geruhst, dich hier sehen zu lassen.«

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