Schatten über Sanssouci
dem Cembalo im Saal gestimmt und
gab den Kammerton, damit die anderen die Tonhöhe anpassen konnten. Nach und
nach kamen die anderen Musiker hinzu. Auch Quantz stimmte seine Flöte durch,
indem er die einzelnen Teilstücke um haarfeine Nuancen auseinanderzog. Ein
Lakai brachte das Instrument des Königs, das ebenfalls eingerichtet werden
musste.
Schon bei der
Ankunft hatte Quantz erfahren, dass einer der Höhepunkte der Musikdarbietung
ein Duett Friedrichs mit seinem Flötisten sein würde. Er erledigte die
Routineaufgabe und ging langsam in dem großen Raum auf und ab. Wie vor allen
Auftritten ergriff ihn in kleinen Schüben eine prickelnde Nervosität, die ihm
jedoch nicht unangenehm war. Unruhig rieb er die feuchten Handflächen
aneinander, stellte sich an das hohe Fenster und sah hinaus in die Nacht.
Monbijou lag direkt
an der Spree. Zwischen dem lang gezogenen, ein wenig verschachtelten Gebäude
und dem Fluss lag der Schlosspark gleich gegenüber der Spitze der Flussinsel.
Leider war der Blick über den Park von hier aus nicht möglich. Er blieb der Gesellschaft
im großen Saal vorbehalten.
Quantz mochte die
herrlichen Feste, die in den warmen Monaten zu Ehren der Königinmutter gefeiert
wurden. Friedrich hatte ihr Monbijou als Altersresidenz herrichten lassen und
ihr damit ein Domizil geschaffen, das an Prunk und Schönheit sogar das Schloss
der regierenden Königin bei Weitem übertraf. Es war ein typisches Zeichen
dafür, wie der König seine Gunst verteilte.
In der schwarzen
Spiegelung der Scheiben erkannte Quantz, dass hinter ihm immer mehr Musiker den
Raum betraten. Nun war die ganze Hofkapelle versammelt. Der Ton »a« –
Richtschnur für das Einstimmen – wanderte von Graun zu den Oboen, dann zu den
Violinen, Violen und Celli, schließlich zu den Hörnern. Als alle eingestimmt
hatten, setzte wieder ein Durcheinander an Motivfetzen und Melodien ein. Jeder
nahm sich noch einmal kurz die schwierigsten Passagen seines Parts vor und
überspielte damit die aufkommende Nervosität.
Quantz, seine Flöte
und die des Königs in der Hand, beteiligte sich nicht daran. Er hielt sich
abseits. Erneut wurde ihm bewusst, dass er innerhalb der Hofmusik eine Art
Fremdkörper war. Die Geiger, Hornisten, Cellisten, Oboisten spielten bei festlichen
Soupers wie heute Abend, sie musizierten in der Oper und bei vielen anderen
Gelegenheiten. Sie sorgten für den festlichen Rahmen bei Geburtstagen der
Hoheiten, und das nicht nur bei Seiner Majestät und der Königinmutter, sondern
auch bei den Geschwistern des Königs, die jeweils ihren eigenen Hofstaat
unterhielten: allen voran natürlich Anna Amalia, die junge Prinzessin, die sich
wie Friedrich für Musik interessierte und Cembalo spielte. Und die Brüder
August Wilhelm und Heinrich, die kein so spartanisches Leben wie Seine Majestät
führten, sondern den weltlichen Genüssen durchaus zugetan waren.
Wieder öffnete sich
die Tür. Das wüste Durcheinanderspielen fiel in sich zusammen, weil alle den
Lakaien erwarteten, der die Musiker zu ihrem Auftritt holte. Doch herein trat
eine bunt gekleidete Gestalt, in der Quantz Monsieur La Mettrie erkannte, der
sofort auf eine kleine Gruppe zuschritt, die sich um Carl Philipp Emanuel Bach
geschart hatte. Es war der harte Kern der Hofkapelle: Graun, Benda, Mara und
noch ein paar andere, die nicht am Kammerkonzert in Sanssouci teilnahmen,
sondern vor allem in der Oper spielten.
Als die Hofmusiker
sahen, dass es noch nicht so weit war, gaben sie sich wieder ihrem Einspielen
hin. Was wollte der Franzose hier? Der Mann war ein Kammerherr des Königs. Es
war ein Gebot der Höflichkeit, sich nicht vom Souper zu entfernen. Außer
Friedrich oder die Königin, die ja die offizielle Gastgeberin war, hatten es
ihm erlaubt.
Ob das wirklich eine
Rolle spielte? Dieser La Mettrie war ein Freigeist. Wenn er zu den Musikern
gehen wollte, dann tat er das, ohne jemanden zu fragen. Und der König schien
große Stücke auf ihn zu halten, wenn er es ihm gestattete.
Quantz ging auf die
Gruppe zu. Graun erblickte ihn und berührte Bach kurz am Arm. Der wollte sich
umdrehen, doch Graun schüttelte den Kopf, als wolle er ihn auffordern, nicht zu
Quantz hinzusehen. Dafür drehte sich La Mettrie zu Quantz und tat so, als würde
er ihn erst jetzt bemerken.
»Maître de Musique«,
rief er laut und kam einen Schritt auf ihn zu. Quantz ließ sich nicht ablenken.
Er konnte deutlich erkennen, dass Bach einen kleinen Papierzettel in den
Aufschlägen seines
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