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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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Getränke,
andere räumten Geschirr ab. Unter das Stimmengewirr mischte sich das Geklapper
von Porzellan.
    Nun stand der König
auf und kam nach vorn. Augenblicklich senkte sich der Geräuschpegel. Quantz
neigte das Haupt vor dem Monarchen, der seine Flöte entgegennahm, aber seinen
Flötenmeister mit keinem Wort begrüßte.
    Es war an Quantz,
dem Konzertmeister Graun das Zeichen zum Beginn zu geben. Und wenige Atemzüge
später, nach einem kurzen Moment, in dem der Saal wieder zu gespannter Stille
gefunden hatte, setzte die Musik ein – ein prachtvoll instrumentiertes Stück.
Quantz wusste, dass der König darauf besonders stolz war. Es hatte bei der
ersten Aufführung im vergangenen Jahr sofort allseitige Bewunderung ausgelöst –
und bei der Königinmutter auch Stolz auf den musikalisch begabten Sohn.
Mittlerweile war es ein bevorzugter Programmpunkt der Soupers auf Monbijou. Vor
allem der zweite Satz war beliebt – ein ausdrucksvolles Andante
espressivo , in dem die Flötisten solistisch auftraten.
    Das Andante begann.
Über den weichen Streichertupfern flossen die gesanglichen Melodien dahin,
liefen parallel, zerfielen in verschiedene Phrasen, die wirkten, als
unterhielten sich die beiden Instrumente, als führte der König mit seinem
Musikmeister einen Dialog. Beide stellten gemeinsam ein Thema vor, und erst gab
der eine seine Meinung dazu ab, dann der andere. Schließlich fanden sie in
einer neuen Tonart zusammen, und neue Aspekte öffneten sich wie die wechselnden
Aussichten auf eine Landschaft.
    Über allem herrschte
die einvernehmliche Harmonie wie auf den Bildern, die Quantz so liebte und von
denen einige in der Galerie des Königs hingen. Bilder, wie er sie immer wieder
träumte: von einem harmonischen Arkadien, von einem Musiker-Paradies, in dem
nur die Schönheit und edle Dinge anzutreffen waren.
    Quantz fiel in eine
der dialogartigen Stellen ein und gab dem König musikalisch sein respektvolles
Widerwort. Kaum hatte Friedrich nach anderthalb Takten Pause seinen Einsatz
gefunden und den Fluss der Melodie einen Ton höhergeschraubt, da glitt Quantz’ Blick
über das Notenpult hinweg ins Publikum. Genau zwischen den beiden
Kerzenflammen, die an seinem Pult angebracht waren, um die Noten zu beleuchten,
erkannte er in der hinteren Reihe das Gesicht von La Mettrie.
    Sein roter Rock war
selbst in der bunten Hofgesellschaft mehr als auffällig, fast schon geckenhaft
übertrieben. Neben ihm saß d’Argens, der sich in dunkles Grün gekleidet hatte
und damit den Modevorschriften des preußischen Hofes besser entsprach. D’Argens
spielte Interesse vor, war aber wahrscheinlich gelangweilt. La Mettrie dagegen
grinste wie ein Spaßmacher auf dem Jahrmarkt, der die Leute dazu bringen
wollte, über ihn zu lachen. Dabei beachtete ihn niemand.
    Plötzlich hatte
Quantz den Eindruck, dass La Mettrie nicht zu ihm hinsah, sondern zu jemandem,
der sich direkt neben ihm befand. La Mettrie beobachtete Bach, der gerade
nichts zu spielen hatte, denn auch das Cembalo pausierte im zweiten Satz.
Allein die Violinen und Violen begleiteten die Flöten. Wie Herzschläge pochten
ihre Noten unter den langsam dahingleitenden Flötengirlanden.
    Bach und La Mettrie
hatten Kontakt … Aber warum? Und wozu?
    Die Szene vor dem
Konzert, der geheime Zettel in Bachs Ärmelaufschlag. Es musste sich um eine
Nachricht handeln, die von Musiker zu Musiker ging. Die alle betraf, nur Quantz
nicht. Es musste eine Intrige der Musiker dahinterstecken!
    Er konzentrierte
sich auf das Stück, das ihm viel länger vorkam als sonst.
    Das Orchester stand
in seinem Rücken. Auf einmal erfüllte ihn das Gefühl, von den Blicken der
Musiker hinter ihm erdolcht zu werden. Es war ihm, als sei er zwischen dem
Publikum, der bunten, aber undurchdringlichen Wand der Zuhörer, und den
Mitgliedern der Hofkapelle gefangen. Die regelmäßigen Streichertupfer wirkten
bedrohlich.
    Er und der König
hatten in trauter Terzenseligkeit eine Phrase beendet, und nun legte Friedrich
zwei Takte einer neuen dialogisierenden Passage vor. Quantz setzte ein – und
der plötzliche Misston machte ihm unmissverständlich klar, dass er sich in der
Zeile geirrt hatte.
    Für einen
schrecklichen Moment setzte sein eigenes Herz aus, während der Takt der
Streicher weiterlief, unbarmherzig und drängend. Verzweifelt suchte er den
Anschluss auf dem Notenblatt, doch er fand nicht zurück. Die handgeschriebenen
Zeichen – Notenschlüssel, Notenköpfe, Hälse, Balken, Taktstriche und Pausen

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