Schatten über Sanssouci
–
verschwammen ihm vor den Augen. Quantz reagierte instinktiv, indem er die Flöte
absetzte, um nicht noch mehr zu verderben. So pochten die Orchestertöne eine
Weile allein dahin, ein riesiges musikalisches Loch von beängstigender Leere
entstand, bevor der König seinen Einsatz spielte und das Ende des Andantes mit
einem ausgedehnten Triller ansteuerte, sich zum Orchester umdrehte und die
Musiker zu den mächtigen Forteakkorden führte, die zum Finale überleiteten –
einem heiteren, tänzerischen Ausklang, in dem auch die Oboen und Hörner
fröhlich dazwischenlärmten.
Quantz blies seinen
Part mit einigermaßen wiedergewonnener Sicherheit. Seine Finger und seine
Lippen funktionierten, aber sein übriger Körper stand wie gelähmt.
Als der Applaus
einsetzte, nahm ihn der König allein entgegen. Quantz verließ mit den Hornisten
und Oboisten den Saal. Das nächste Stück war wieder nur den Streichern mit
begleitendem Cembalo vorbehalten.
An der Tür blieb er
stehen und sah sich um. Üblich war, dass der König ihm in diesem Moment
mitteilte, welche Aufgaben heute noch auf ihn zukamen. Welche Musik noch
gewünscht war und ob er ein weiteres Flötenkonzert zu spielen habe. Die
Hofgesellschaft hatte ihre Gespräche wieder aufgenommen. Verzweifelt suchte
Quantz den Blickkontakt zu Friedrich, der sich gerade zu Prinzessin Amalia
hinüberbeugte. Die beiden wechselten ein paar Worte. Die Prinzessin wirkte über
irgendetwas belustigt. Endlose Momente vergingen, bis Seine Majestät aufsah. Er
war offensichtlich erstaunt, seinen Flötenmeister noch im Raum zu sehen.
Friedrich nickte ihm
zu, und Quantz erfüllte Erleichterung. Umso mehr erschrak er, als Seine
Majestät mit der rechten Hand unter der Tischkante eine dezente Bewegung
machte, als wolle er eine Fliege verscheuchen. Er wedelte mehrmals mit den
ausgestreckten Fingern. Dabei sah er Quantz ernst an.
Die Botschaft war
unmissverständlich. Der königliche Flötist und Kammermusiker hatte sich
zurückzuziehen. Er wurde nicht mehr gebraucht.
Wie betäubt drehte
Quantz sich zur Tür. Die Orchestermusiker hatten bemerkt, was vorgefallen war.
Manche, auch Bach, der nach wie vor am Cembalo saß, lächelten vor sich hin.
Draußen strebten die
anderen Bläser weit entfernt mit schnellen Schritten den Räumen der Musiker zu.
Quantz blieb zurück. Nur langsam ließ die Schwere in seinen Beinen nach.
***
Flackernde
Flammen beleuchteten die Notenblätter, an denen Andreas emsig schrieb.
Als man ihm erklärt
hatte, worum es ging, hatte das in seinem Kopf einen Mechanismus in Gang
gesetzt. Kaum hatte er angefangen zu schreiben, war die Welt um ihn herum
versunken.
Viele Seiten hatte
er gefüllt, da erst wurde ihm bewusst, dass die Kerzen fast vollständig
heruntergebrannt waren. Er legte die Feder weg und schob das Papier zusammen.
Ein Ziehen meldete sich in seinem Magen. Es war Stunden her, seit er das letzte
Mal etwas gegessen hatte. Er stand auf, wobei der Schemel ein hässliches
Quietschen auf dem Steinboden verursachte.
Durch die Schläge
und die Angst hatte Andreas so unter Schock gestanden, dass er sofort mit der
Arbeit begonnen hatte. Erst jetzt kam er auf die Idee, sein Gefängnis zu
untersuchen.
Er wandte sich der
Tür zu, durch die er den engen Raum betreten hatte. Dort befand sich der
schmale Kerker, wo sie ihn angekettet hatten. Andreas leuchtete mit dem
Kerzenstummel hinein. Da lag etwas schmutziges Stroh, die Ketten führten zu
Eisenringen in der Wand.
Die Erinnerung an
den Moment, in dem er zu sich gekommen war, überwältigte ihn, und er wich
zurück. Gegen den Kerker war der Raum mit dem Arbeitstisch geradezu gemütlich.
Auf dessen anderer Seite gab es einen sehr engen Durchgang. Knarrende Geräusche
kamen von dort. Andreas spürte eine wachsende Beklommenheit, als er einen
schmalen Gang erreichte. Die Kerze beleuchtete nichts als rohe Steine. Überall
schimmerte es feucht.
Nach wenigen
Schritten stand er an einer rostigen Gittertür. Immerhin waren die Stäbe so
weit voneinander entfernt, dass er eine Hand mit dem Licht hindurchstecken
konnte. Auf einer Holzbank lag der dicke, brutale Mann, der ihn geschlagen
hatte, und schnarchte. Eine Hand hing herab. Sie hielt einen Eisenring, an dem
ein Schlüssel befestigt war.
Hinter dem Raum mit
dem schlafenden Wächter ging es sicher in die Freiheit. Andreas packte die
Stäbe. Irgendetwas in ihm hoffte, dass die Tür nicht abgeschlossen war. Doch
sie gab nicht nach. Er war gefangen.
Als der Kerl ihn
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