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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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einzigen Versuch.
    In dem Moment, als
der Stein Andreas’ Hand verließ, wurden Stimmen laut. Eine Tür öffnete sich.
Licht fiel in den Raum mit dem Wärter. Jemand näherte sich und rief etwas.
    Der Stein traf einen
der Krüge auf dem Regal und schlug ihn über den Rand. Er fiel herunter und traf
krachend auf dem Tisch auf, über den sich eine klare Flüssigkeit ergoss. Der
Schlafende fuhr auf und ließ den Ring mit dem Schlüssel los. Das Klirren des Metalls
auf dem Boden ging in dem Knall unter, mit dem sich wieder eine Tür öffnete.
Ein Mann kam herein und stieß einen Fluch aus.
    »Schon wieder
besoffen«, schrie er.
    Andreas bemerkte der
Mann nicht. Stattdessen rüttelte er den Schläfer wach. Der scharfe Geruch von
Branntwein verbreitete sich. Offensichtlich hatte sich der Wärter damit
erfolgreich die Kälte aus dem Leib getrieben.
    Andreas zog schnell
mit dem Rohr den Schlüssel heran, löschte die Kerze, die ohnehin nur noch
schwach glomm, und lief mitsamt Rohr und Schlüssel in den hinteren Teil seines
Gefängnisses. Er versteckte den Schlüssel unter dem Stroh und setzte sich
wieder auf den Schemel. Dabei nahm er die Notenblätter an sich, als sei er
immer noch intensiv mit seiner Aufgabe beschäftigt.
    Der Neuankömmling
kam heran und leuchtete Andreas ins Gesicht. »Du bist fleißig«, sagte er. »Das
ist gut. Hier hast du was zu essen.«
    Er schob Andreas
einen Korb hin. Darin lagen ein paar Kanten Brot und zwei neue Kerzen.
    Der Mann ging den
Gang zurück zu dem Wächter, der sich gerade aufrappelte.
    »Das nenn ich Wache
halten«, schrie er. »Sich besaufen, schlafen und im Schlaf auch noch die Krüge
runterschmeißen.«
    Der Angesprochene
war nun wach, der anderen packte ihn, und kurz darauf waren die beiden
verschwunden. Andreas lauschte den Schritten und Flüchen nach, bis es still
war.
    Er aß ein wenig von
dem Brot, das altbacken und an einigen Ecken verschimmelt war. Zur Sicherheit
wartete er noch eine ganze Weile. Dreimal zählte er bis hundert. Wie immer
beruhigte ihn die Beschäftigung mit Zahlen.
    Schließlich holte er
den Schlüssel und steckte ihn ins Schloss.
    Er passte. Die Tür
schwang mit einem Quietschen auf.

9
    Quantz
stand am Dienstbotenausgang des Schlosses. Bis vor einer Viertelstunde hatte er
noch geglaubt, seinem König und seinen Aufgaben bei Hofe eng verbunden zu sein.
Doch jetzt kam es ihm vor, als sei diese unsichtbare Verbindung verloren
gegangen. Als habe jemand ein Tau durchschnitten.
    Er blickte in die
Nacht, umgeben von dem Duft, den die Blumen und die blühenden Bäume im Park
verströmten. Es hätte ein Abend wie aus einem Märchen sein können, wie
geschaffen für eine Bootsfahrt auf der Spree. Auch dabei konnte eine passende
Musik die Stimmung unterstreichen.
    Quantz hatte gehört,
dass sein Kollege Georg Friedrich Händel in London für die Lustfahrten des
Königs auf der Themse eine ganze Reihe von Werken komponiert hatte, die
»Königliche Wassermusik«. Die Musiker wurden dabei selbst auf mehreren Barken
platziert und sandten ihre Klänge auf Anweisung des Hofkomponisten über den
Fluss.
    Wie hatte Händel das
wohl bewerkstelligt? Eine große Anzahl von Musikern war schwer zu koordinieren
– vor allem im Freien, wenn der Schall nicht weit trug und sich die einzelnen
Instrumentalisten nicht gut gegenseitig hören konnten.
    Aber dieser Händel
war ein Tausendsassa. Er schuf Opern und Kammermusik, Cembalowerke und
Oratorien, Konzerte und Sonaten. Und das in einer unglaublichen
Geschwindigkeit. Vor einigen Jahren hatte er ein Oratorium herausgebracht, von
dem ganz Europa sprach: Messiah – der Messias. Mit einem Halleluja-Chor, der so
mitreißend war, dass es das Publikum kaum auf den Sitzen hielt. In jeder
Aufführung brach unbändiger Jubel aus …
    Welch ein Erfolg war
diesem Meister beschieden, und wie jämmerlich scheiterte Quantz, dem eine
kleine Hofintrige den Garaus machte. Er würde nie zu solchen Anlässen Musik
schreiben. Er durfte froh sein, wenn er Kammermusikus blieb.
    Er hatte sich auf
den mit Kies bestreuten Wegen so weit in den Park hineinbewegt, dass er auf der
dem Fluss zugewandten Seite des Westflügels angekommen war. Hell erstrahlten
die Fenster des Festsaals. Quantz konnte die Hofgesellschaft sehen. Die Musik
drang leise an sein Ohr. Die Instrumentalisten, die in der linken Ecke des
Saales Aufstellung genommen hatten, begleiteten jetzt den König, der neben dem
Cembalo bei Bach stand und Flöte spielte. Quantz glaubte, Motivfetzen

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