Schatten über Sanssouci
die Flammen noch das Portal mit den Balustraden über der runden
Öffnung. Quantz glaubte sogar, einen Moment die goldene Fortunafigur auf dem
Kuppeldach aufblitzen zu sehen – die Darstellung der Glücksgöttin, die das Tor
krönte. Nach und nach wurde ihr Licht immer kleiner, dann hatte sie der große
Komplex verschluckt.
»Warte Er«, sagte
der Offizier und zog sich in das Wachhaus zurück. Die anderen Grenadiere
behielten Quantz im Auge. Er starrte in das Dunkel, und seine Unruhe wuchs. Wer
immer ihn erwartete, würde nicht ewig bleiben. Nachdem sich einige Minuten
dahingedehnt hatten, trat Quantz ein paar Schritte auf das Häuschen zu, um noch
einmal mit dem Offizier zu sprechen. Sofort kam Leben in die Wachen. Mit
gekreuzten Gewehren verstellten sie ihm den Weg.
»Ich habe nicht so
viel Zeit«, rief Quantz zur Tür des Häuschens hin. »Ich habe schon gesagt, dass
es dringend ist. Bitte lassen Sie mich mit Rat Weyhe sprechen.«
Nach weiteren schier
endlosen Minuten näherte sich Licht aus dem Inneren des Schlosses. Einen
hoffnungsvollen Moment lang meinte Quantz, den Rat zwischen den Soldaten zu
entdecken. Doch sie kamen allein. »Was ist?«, sprach er sie an, doch sie
verschwanden im Wachhaus, ohne ihm Antwort zu geben. Wieder verging Zeit, dann
kam der Offizier. »Der Herr Rat ist nicht im Schloss.«
»Aber wo soll er
sein? Wann hat er sein Appartement verlassen?«
»Das wissen wir
nicht, Herr Musikus. Entferne Er sich nun. Ich gebe Ihm eine Patrouille mit,
die Ihn nach Hause bringt.«
»Haben Sie auch
richtig nachgesehen? Vielleicht ist er in einem anderen Raum, als Sie dachten.
Ich bin in seinem Quartier gewesen. Ich kann Sie hinführen –«
»Scher Er sich zum
Teufel«, unterbrach der Offizier Quantz’ Redeschwall. »Geh Er nach Hause zu
seinem Weib und komm Er morgen wieder.«
Der Soldat machte
kehrt und ging in sein Häuschen zurück. Die Wachsoldaten nahmen ihre steife
Position am Tor ein und schienen zu versteinern.
Es hatte keinen Sinn
mehr, mit ihnen zu sprechen. Von irgendwoher hinter dem Wachhaus kamen zwei
Grenadiere, schritten auf Quantz zu. Das war wohl seine Eskorte.
Vielleicht
verbrachte Weyhe die Nacht auf Sanssouci – nach einem langen Gespräch mit dem
König über den Fortgang der Ermittlungen. Hinauf zum Sommerschloss konnte
Quantz nicht. Er musste also allein zum Tor gehen und sehen, was ihn erwartete.
»Geh Er los«, sagte
der eine Soldat. »Worauf wartet er?«
Quantz setzte sich
in Bewegung, die Soldaten kamen mit, doch sie waren kaum ein Dutzend Schritte
gegangen, da näherte sich das Gerassel von eisenbeschlagenen Rädern auf
Pflaster und Pferdegetrappel. Eine kleine schwarze Kutsche kam in hoher
Geschwindigkeit aus Richtung der Burgstraße. Das Metall schlug auf den Steinen
Funken. Schwarz waren auch die Pferde, die der Kutscher vorgespannt hatte.
Weyhe, dachte
Quantz. Das musste Weyhe sein.
Auf dem Bock saß
Brede. Kaum hatte das Gefährt die Patrouille mit Quantz erreicht, zügelte er
die Pferde und sprang herab. »Herr Quantz? Ihr seid da?«
»Brede? Natürlich
bin ich da. Was hat das zu bedeuten? Wen bringt Er?«
»Bringen? Niemanden.
Die Kutsche ist leer. Sie ist für Euch.«
Quantz hatte keine
Ahnung, was hier los war. Aber er erkannte seine Chance. Wenn er den
Grenadieren klarmachte, dass er mit der Kutsche nach Hause fuhr, war er sie
los, und er und Brede konnten zum Brandenburger Tor fahren.
»Meine Herren, das ist
mein Fuhrmann«, sagte er zu den verdutzten Grenadieren. »Er bringt mich nach
Hause. Sie brauchen sich nicht zu bemühen.« Ohne eine Reaktion abzuwarten,
bestieg er das Gefährt.
Brede spielte mit,
und schon ging es los. Quantz wollte ihm schon sagen, wo er hinwollte, doch als
sie sein Haus erreichten, dachte Brede gar nicht daran, anzuhalten, sondern
fuhr weiter, links hinauf zur Brandenburger Straße.
Quantz öffnete den
Schlag. »Brede, wohin fährt Er?«
»Zum Tor, Herr
Quantz, zum Tor. Wie gewünscht.«
»Wie gewünscht?
Brede, wir haben kein Wort über das Ziel gewechselt. Halte Er sofort an.«
Der Kutscher
stoppte. Quantz verließ die Kabine und stieg auf den Bock. »Wie kommt Er
darauf, dass ich zum Tor will?«
»Der Botenjunge hat
es gesagt.«
»Welcher
Botenjunge?«
»Ja, wenn Ihr es
selbst nicht wisst.« Brede zuckte mit den Schultern.
»Was soll ich
wissen?«
»Mich hat vor einer
Stunde jemand aus dem Schlaf geholt. Ich soll den Herrn Quantz, also Euch, am
Stadtschloss abholen und fahren. Ich habe den Jungen erst zum
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