Schatten über Sanssouci
Geheimnissen, zu vielen
Dingen, die Regierungsgeschäfte betreffen. Und dieser Andreas Freiberger
scheint darüber hinaus ein kluger Kopf gewesen zu sein, und er hatte Kontakt zu –«
»Verzeihung, Herr
Rat«, mischte sich der alte Kilian mit der dicken Nase ein. »Ganz Potsdam weiß,
dass Andreas Freiberger nicht ganz richtig im Kopf war. Ein Idiot.«
Weyhe warf Kilian
einen strengen Blick zu. »Einmal lasse ich Ihnen das durchgehen. Mit Sicherheit
aber kein zweites Mal. Unterbrechen Sie mich nicht. Niemals. Ich erkläre hier
etwas, und wenn es Ihnen widersprüchlich erscheint, dann liegt das nur daran,
dass Sie noch nicht alle Informationen, die Sie zum Verständnis benötigen,
erhalten haben. Oder es liegt daran, dass Sie mir wegen minderer Intelligenz
nicht folgen können. Dann haben Sie sich etwas anzustrengen. Verstanden?«
»Jawohl, Herr Rat«,
sagte der alte Kilian.
»Ich werde Sie stets
nach solchen Ausführungen fragen, ob Sie noch eine Erläuterung brauchen. Erst
dann können Sie mich ansprechen. Wo war ich stehen geblieben? Andreas
Freiberger, ach ja. Sie haben recht. Er galt in Potsdam als Idiot, doch wir
haben Grund zu der Annahme, dass er dies nur als Tarnung vorspielte. In
Wirklichkeit war er geistig hellwach und verfügte über ein hervorragendes
Gedächtnis. Nun ist er tot. Über die genauen Umstände werden wir noch ein
Gutachten von Herrn Eller von der Charité erhalten. Doch bis dahin müssen wir
die Zeit nutzen.«
Weyhe schwieg einen
Moment. In den Gesichtern der Brüder glaubte er zu lesen, dass sie ihm hatten
folgen können. Es war Zeit, ihre Fähigkeiten gründlich auf die Probe zu
stellen. »Was können wir Ihrer Ansicht nach tun«, fragte Weyhe, »um unserem
Auftrag gerecht zu werden? Johannes Kilian, sagen Sie auch etwas.«
Der Jüngere hob den
Kopf und sah Weyhe nachdenklich an. Aus beiden Gesichtern las Weyhe, dass ihnen
nichts einfiel. Nun gut, das würde noch kommen.
»Ich werde Ihnen ein
wenig helfen. Die Fäden der Verdachtsmomente laufen bei einer Person zusammen«,
erklärte er. »Wir müssen diese Person beobachten und jeden ihrer Schritte im
Auge behalten. Früher oder später wird sie einen Fehler machen – vorausgesetzt,
sie hat wirklich mit Freibergers Tod, dem Tod des Soldaten und der Desertion zu
tun, doch das scheint evident zu sein. Es gibt eine hervorragende Möglichkeit,
einen Beobachtungsposten einzurichten, denn gegenüber dem Haus dieser Person
steht ein Gebäude leer. Es soll abgerissen werden.«
»Sie meinen den
Musikus«, sagte der alte Kilian.
»Schau an«, sagte
Weyhe. »Sie denken mit. Nicht schlecht. Sie wissen also, wen wir in Verdacht
haben. Sammeln Sie weiteres Material. Verstanden?«
»Welche Art von
Material meinen Sie?«, fragte der alte Kilian.
»Mit wem trifft der
Musikus sich? Was führt er im Schilde? Wenn er über Andreas Freiberger an
Geheimnisse gekommen ist, wird er sie weitergeben wollen. An wen?«
Die beiden nickten.
Ȇberwachen Sie ihn.
Berichten Sie mir alle drei Stunden. Wenn etwas Überraschendes geschieht, dann
erstatten Sie mir sofort Bericht. Wenn ich in drei Tagen mit Ihnen noch so
zufrieden bin wie heute, werde ich eine Belobigung beim König abgeben.
Abtreten.«
Sie gehorchten und
die Tür schloss sich hinter den beiden.
Weyhe griff zum Bier
und trank. Ein tiefes Gefühl der Ruhe breitete sich in ihm aus.
Eine neue Zeit brach
an. Die neue Zeit von Sanssouci, die neue Zeit des Friedens, eine Zeit, in der
Seine Majestät der französischen Philosophie frönte. Und Rat Weyhe stand kurz
davor, all dem seinen persönlichen Stempel aufzudrücken.
15
In Gottes Namen. In einer Stunde am unteren Tor. F.
Quantz hatte die
Nachricht kaum gelesen, da griff er auch schon nach seinem Rock und verließ das
Haus. Er verzichtete darauf, eine Kutsche zu nehmen, und machte sich zu Fuß auf
den Weg. Im schnellen Spazierschritt grüßte er links und rechts bekannte
Gesichter. Er war nur noch einen Steinwurf vom Brandenburger Tor entfernt, da
wurde ihm klar, dass ihn niemand zurückgrüßte. Das hätte er schon ahnen können,
als Sophie ihm den neusten Tratsch vom Markt überbrachte.
Die Geschichten um
Andreas und die beiden Soldaten hatten sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen.
Vielleicht wusste man in der Stadt sogar schon, dass Quantz drauf und dran war,
beim König in Ungnade zu fallen.
Natürlich wurde
alles nur hinter vorgehaltener Hand weitergegeben. Niemand sagte ihm das, was
alle dachten, direkt ins Gesicht, denn niemand
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