Schatten über Ulldart
»Wache!«, schrie Lodrik und hechtete zum Tisch, auf dem er seinen Säbel abgelegt hatte.
Die Tür schwang auf, der Soldat stürmte in den Raum und sah sich um.
Die wenigen Sekunden, die der Mann zur Orientie rung benötigte, genügten dem pfeilschnellen Assassi nen, um die Klinge von hinten in die Kehle der Wache zu rammen, ein Blutstrahl ergoss sich in hohem Bogen in den Raum, und der Mann brach gurgelnd zusammen. Lodrik hatte den Säbel gezogen und drang auf den Mörder ein, der geschickt unter den Hieben wegtauchte und sich die Waffe des Toten griff, mit der anderen Hand zog er einen weiteren Dolch.
Ein heftiges Gefecht entbrannte, bei dem der junge Mann schnell erkannte, dass er der Unterlegene sein würde.
Die Art der Schläge seines Gegners ähnelten zum Er staunen des Statthalters sehr der Technik Waljakovs, mit der er glücklicherweise vertraut war, denn ansonsten wäre der Kampf schon längst beendet gewesen. Lodriks Kräfte erlahmten, sein rechter Arm fühlte sich fast taub an und kribbelte unangenehm.
Er ging auf Distanz und warf alles nach dem Assassi nen, was er finden konnte. Kassenbücher und Tintenfass flogen ebenso durch die Luft wie Kerzenhalter und Tee kanne. Auf dem Gang hörte man entferntes Rufen und die ersten Schritte.
»Zur Seite, Herr«, rief Waljakov plötzlich von der Tür. Lodrik ließ sich fallen und hörte kurz darauf das Geräusch einer abgeschossenen Armbrust.
Der Mörder schrie auf, dann prallte in rasanter Abfol ge Metall auf Metall.
Der Gouverneur erhob sich schwankend und sah, wie sich der Leibwächter ein atemberaubendes Duell mit dem Assassinen lieferte, in dessen linkem Arm ein Bol zen steckte.
Beide Männer kämpften verbissen, die Schläge pras selten nieder, und immer wieder schafften es die Geg ner, die Hiebe des anderen zu parieren.
Plötzlich zuckte der Dolch des Mörders vor, Walja kov wehrte ihn mit der mechanischen Hand ab und packte den Assassinen bei der Kehle. Der Leibwächter stieß einen gewaltigen Schrei aus, riss den Mann am ausgestreckten Arm in die Höhe und schleuderte ihn kopfüber zu Boden.
Scheinbar benommen blieb der Mörder liegen, Blut sickerte aus dem Mund.
Waljakov drehte sich, um nach Lodrik zu sehen, als der Assassine unvermittelt aufsprang, mit der Klinge auf den Nacken des Leibwächters zielte und etwas rief, während er zustieß.
Waljakov erahnte die Attacke und unterlief sie, ant wortete lachend in einer unverständlichen Sprache und schlug dem Assassinen aus der Drehung den Unterarm durch.
Dolch und Armstück flogen durch die Luft, eine Blut fontäne spritzte aus dem Stumpf, dann brach der Mörder zusammen, während das Rot in Strömen aus der Wunde lief.
Der Leibwächter kam mit einem fast dämonischen Lächeln und voller Blut auf Lodrik zu, auch Stoiko und Hetrál eilten zu dem verletzten Gouverneur, der die Augen verdrehte und zu Boden stürzte.
Ulsar, Hauptstadt des Königreichs Tarpol, Spätsommer 442 n.S.
Matuc kam sich inmitten des ganzen Prunks fehl am Platze vor. Auch wenn aus ihm nach dem Ableben von Tradja vor vier Jahren der Vorsteher des kleinen Mönchgehöfts bei Tscharkass geworden war, hatte er trotzdem keinen Hang zu Pomp entwickelt. Offenbar ganz im Gegensatz zu den Oberen des Ordens.
Der Einzige, der eine einfache Robe trug, war Matuc. Alle anderen, die geschäftig und sehr wichtig an ihm vorbeischritten, trugen derart kostbare Gewänder, dass sich der Vorsteher fragte, ob er nicht aus Versehen in einem Adelshaus gelandet war.
Der Geheime Rat Ulldraels hatte ihn nach Tarpol bestellt, ohne einen Grund anzugeben. Der Bote bestand damals nur auf allerhöchste Eile und redete von unendlicher Dringlichkeit, dabei war Matuc gerade mit dem Füttern der Hühner beschäftigt. Diese Aufgabe ließ er sich selbst als Vorsteher nicht nehmen, gehörte sie doch seit seinem Eintritt in den Orden zu seinen Pflichten.
Nun stand der Mönch ziemlich verstaubt in der Halle des größten Ulldrael-Tempels in Tarpol und wartete mit einer gewissen, ungewohnten Ungeduld auf das weitere Geschehen. Die zahlreichen Gemälde in den goldnen Rahmen, die unterschiedliche Mitglieder des Geheimen Rates porträtierten, kannte er inzwischen zur Genüge.
»Wenn ihr Glaube so stark ist wie bei manchen die Figur, dann hat Ulldrael der Gerechte nie wieder Schwierigkeiten mit dem Vertrauen seiner Getreuen in ihn«, murmelte der Mönch einem besonders feisten Bruder Kopf schüttelnd hinterher. »Ob das Leben hier den
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