Schatten über Ulldart
es ihm seine Fracht erlaubte, lief er in die Halle, um sich die Sache anzusehen.
Die beiden Diener verneigten sich in diesem Moment vor einer Frauengestalt, die in einen roten Umhang gehüllt war.
»Was geht hier denn vor?« Torben drückte einem der Diener das Tablett in die Hand und versuchte unter die Kapuze der Frau zu sehen.
»Das ist Norina Miklanowo, die Tochter von Brojak Miklanowo«, antwortete der zweite Diener. »Sie muss ihren Vater sprechen.«
Norina nieste, hielt sich ein Taschentuch vor das Gesicht und hustete. »Verzeiht meinen späten Besuch, aber es ist sehr wichtig. Ein Teil unserer Leibeigenen hat sich den Aufständischen angeschlossen, und nun brauche ich unbedingt den Rat meines Vaters«, sagte sie verschnupft und mit krächzender Stimme. »Wo finde ich ihn? Jede Minute ist kostbar.«
»Folgt mir«, meinte Torben und nahm das Tablett wieder an sich. »Das sind ja fürchterliche Neuigkeiten. Hier entlang.« Er nickte in Richtung des Ganges, Norina setzte sich in Bewegung.
»Wie geht es dem Gouverneur«, wollte sie wissen. »Ich habe gehört, ein Betrunkener habe ihn schwer verletzt?«
Der Rogogarder lachte. »Das war halb so wild. Inzwischen ist er wieder auf den Beinen. Aber Ihr klingt sehr erkältet, und das im Sommer?«
»Ich vertrage das Reisen in Kutschen nicht besonders«, erklärte sie in einer Mischling aus Husten und Krächzen, »und beim kleinsten Zug bekomme ich eine Grippe. Aber in dem Fall musste ich es wohl auf mich nehmen.« Norina schniefte und presste den Stoff an die Nase, um sich kräftig zu schnäuzen. »Man sagt, der Gouverneur habe sich sehr verändert? Kann ich ihn anschließend sprechen?«
»Er ist derzeit in der Kanzlei und will nicht gestört werden«, gab Torben Auskunft. »Ich würde Euch nicht empfehlen, ihn zu …« Der Pirat stockte, als ihn eine Wolke von Norinas süßlichem Parfüm einhüllte. Der Geruch kam ihm irgendwie bekannt vor, aber das Innenleder des Helms verfälschte das Odeur.
Die Frau hatte sein Zögern bemerkt. »Was ist? Warum erzählst du nicht weiter, Soldat?« Sie musterte ihn aufmerksam hinter dem Taschentuch hervor.
»Es ist Euer Parfüm, Herrin. Es kommt mir bekannt vor.«
»Vermutlich hat mein Vater seinen Glücksschal bei sich. Er ist mit meinem Parfüm getränkt, und ich gebe ihn immer als Talisman mit, wenn mein Vater und ich getrennt sind«, erklärte Norina. »Kommst du, oder soll unser Land wegen deiner Langsamkeit in die Hände von aufständischem Bauernpack fallen?«
Allmählich wurde Torben stutzig. Er war zwar noch nicht lange hier, aber an der Art, wie Miklanowo von seinen Landpächtern sprach, erkannte er einen gewissen Respekt für die Menschen, die seine Tochter offensichtlich nicht teilte. Hatte der Brojak nicht immer erzählt, seine Tochter denke genauso wie er? Er blieb kurz stehen, um vorsichtig seine Fracht auf einer Hand auszubalancieren, und öffnete mit der anderen das Visier, damit er das Duftwasser genauer riechen konnte.
Wieder sog er das schwere, süße Aroma ein, dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
In diesem Moment drehte sich Norina vor ihm um, sah in sein Gesicht und fuhr zurück.
»Du bist es, du verdammter Mörder!«, rief Torben. »Ich habe geahnt, dass es das Parfüm ist, das in deinem Seesack war!«
»Du wirst keine Gelegenheit bekommen, es jemanden zu erzählen, Kapitän Rudgass«, knurrte die vermeintliche Norina mit bekannter Stimme und schleuderte mit einer blitzartigen Bewegung einen Gegenstand nach dem Hals des Piraten.
Geistesgegenwärtig riss der Rogogarder das Tablett hoch, die beiden Krüge, das Brot und der Käse fielen zu Boden, Bier ergoss sich schäumend über den Boden.
Ein dumpfer Laut ertönte, dann bohrte sich die Spitze des vergifteten Wurfmessers eine Fingerlänge durch das Holz und blieb stecken.
»So leicht geht das bei mir nicht«, lachte Torben und warf seine Deckung weg, um seinen Säbel zu ziehen, doch wie eine Katze flog der Assassine durch die Luft und sprang dem Piraten an die Brust, in der rechten Hand hielt er den nächsten Dolch.
Beide Männer wälzten sich keuchend am Boden, verzweifelt versuchte der Rogogarder die Klinge von seinem Gesicht wegzudrücken, doch die Kräfte seines Gegners waren größer, als er damals auf Grund der kleinen Statur angenommen hatte. Die Anstrengung raubte ihm seine ganze Atemluft, sodass er nicht einmal um Hilfe rufen konnte.
Der Assassine ließ mit einem Mal nach. Torben schoss überrascht halb in die Höhe und
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