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Schatten über Ulldart

Schatten über Ulldart

Titel: Schatten über Ulldart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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die Gelehrten und Handwerker, danach die Bauern und Priester, am Schluss kamen die Unfreien. Jede Kaste unterschied sich durch ihre Rechte und durch ihr äußeres Erscheinungsbild, oftmals schon durch die Statur der Kastenangehörigen.
    All das wusste Matuc bereits, denn die Mönche hatten im Laufe der Jahrhunderte einiges über die geheimnisumwitterten und seltsam anmutenden Kensustrianer in Erfahrung gebracht. Also lenkte er das Gespräch gegen Abend auf die Religion.
    »Ulldrael hat uns befohlen, sein Andenken zu bewahren und allen Menschen zu helfen, soweit es in unserer Macht liegt«, begann er. Er spürte die Röte seiner Wangen, die vom Wein stammte.
    Belkala nickte. »Ihr habt Armenhäuser eingerichtet, wie ich gehört habe, und versorgt die Kranken und Schwachen. In der Landwirtschaft, im Wissen und im Gebet verehrt Ihr Euren Gott, richtig?!«
    »Ja. Und was tut Ihr, um Euren Gott zufrieden zu stellen?« Matuc winkte mit seinem leeren Weinbecher in der Hoffnung, dass der Wirt sein Zeichen bemerken und ihm mehr bringen würde. Am besten diskutieren konnte er, wenn er sich ein gewisses Pensum Mut angetrunken hatte, und obwohl er fühlte, dass er dieses Maß bereits erreicht hatte, wollte er sicherheitshalber ein wenig nachfüllen.
    »Da beginnt bereits der erste Fehler, den Ihr macht«, lächelte die Priesterin, die nicht einen Tropfen Alkohol zu sich nahm. »Wir haben nicht nur einen Gott oder sieben, wie ihr, wir haben viele. Es sind mehr als hundert Wesen, die wir in Kensustria kennen, aber nicht alle werden von uns verehrt. Jeder sucht sich das göttliche Wesen heraus, mit dem er am meisten einverstanden ist.«
    »Ja, aber dann wäre Eure Priesterkaste immens groß«, staunte der Mönch, der in Gedanken Horden von kensustrianischen Bekehrern in Tarpol einfallen sah. Der Wirt brachte einen Krug Wein und entfernte sich wieder.
    »O nein. Manche Götter sind sehr beliebt, andere dagegen treten kaum in Erscheinung. Lakastra beispielsweise ist bei den Gelehrten und beim einfachen Volk sehr angesehen, weil er ihm Fortschritt bringt, gerade in der Landwirtschaft. Wir haben dank der Erleuchtung durch den Gott Vorrichtungen entwickelt, wie man die Körner schneller und weniger aufwändig aus den Ähren drischt«, erzählte sie. »Erreicht der Zulauf an Gläubigen ein gewisses Ausmaß, wird ein Tempel errichtet und Priester aus den Reihen der Anhänger gewählt.«
    »Also kann es passieren, dass ein Gott mehrere Jahrzehnte nicht wichtig war, aber plötzlich wieder sehr bekannt wird, weil er aus irgendeinem Grund Zulauf bekommt?«, fragte Matuc etwas verwirrt und nippte am Wein. Vielleicht trank er mehr, als es gut war.
    »So ist es.« Belkala schenkte ihm erneut ein Lächeln. »Aber im Allgemeinen verfügt Kensustria über einen etablierten Götterreigen von zwanzig Wesen. Lakastra gehört seit mehr als fünftausend Jahren dazu.« Ein bisschen Stolz schwang in ihrer Stimme mit.
    »Aha«, machte der Mönch und schielte auf ihre Oberweite. »Haltet Ihr es nicht für sehr gefährlich, alleine umherzuziehen und in einem fremden Land eine Gottheit anzupreisen, die niemand kennt? Wenn Euch nun aufgebrachte Bauern aufknüpfen wollen, was Ulldrael der Gerechte verhindern möge, weil Ihr unbedachterweise gegen ihren Schutzpatron gesprochen habt? Was dann? Hilft Euch Euer Lakastra, oder sterbt Ihr für Euren Glauben?« Er lehnte sich vor. »Manche sehr einfachen Menschen würden Euch sogar eher für einen Blutsauger halten, wenn sie Eure Zähne sähen, und Euch an Ort und Stelle enthaupten und verbrennen.«
    »Mir ist die tarpolische Sagenwelt leider nicht sehr vertraut, deshalb bedanke ich mich bei Euch für die Warnung, Bruder Matuc.« Sie neigte leicht den Kopf, ihre goldenen Augen leuchteten auf und erzeugten einen wunderschönen Kontrast zu den dunkelgrünen Haaren. »Außerdem, das versichere ich Euch, ich weiß mich zu wehren.«
    »Ihr habt meine Frage nicht beantwortet«, sagte Matuc. Er hatte vor, sie in eine Falle zu manövrieren. Ihre ablenkende Antwort wertete er als erste Unsicherheit.
    »Nun, ich denke, dass mein Gott mir beistehen würde.
    Vielleicht käme er selbst. Tut das Ulldrael auch?« »Natürlich«, versicherte der Mann, obwohl er sich tief in seinem Herzen dessen nicht ganz sicher war. »Ihr lügt, Bruder.« Die Priesterin schmunzelte und langte nach ihrem Wasser. »Habt Ihr Ulldrael schon einmal gesehen?«
    Matuc zögerte. Das Gespräch nahm eine Wendung, die ihm nicht schmeckte.
    »Nein, habe ich

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