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Schatten über Ulldart

Schatten über Ulldart

Titel: Schatten über Ulldart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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DeRagni das Rapier aus der Scheide und durchbohrte den Oberkörper des verletzten Piraten auf Herzhöhe. Torben machte einen drohenden Schritt vorwärts. Seine Bewacher rissen ihn zurück und hielten ihn mit eisernem Griff fest.
    »Ach, sieh an? Geht Euch das Schicksal Eurer Männer zu Herzen, Kapitän?« DeRagni reinigte gespielt gelangweilt seine Waffe an der Kleidung des Toten. »Dann hätten sich die Leute vorher überlegen müssen, wen sie angreifen. Palestan lässt sich nicht ewig alles gefallen.«
    »Ich gebe einen Dreck auf den Krämerstaat.« Torben spuckte aus. »Ich würde immer wieder Freibeuter werden und arrogante Händler jagen, bis sie alle aus dem Meer verschwunden sind.«
    »Das dürft Ihr alles dem Richter erzählen«, meinte der Commodore, »aber ich vermerke Euer Geständnis mit Wohlwollen. Strafmildernd wird es sich allerdings nicht auswirken.« Die palestanischen Soldaten lachten.
    Die Entermannschaft trug derweil die Proviant- und Wasserfässer aus den Laderäumen der Grazie, bugsierte sie an Bord der Fröhlicher Gruß, die Waffen, Bolzen und Pfeile wechselten ebenfalls die Besitzer. Torben erkannte unter der Beute auch die beiden schweren Seesäcke des Fremden.
    Einer der Palestaner löste sich aus der betriebsamen Hektik und erstattete DeRagni mit einem ratlos wirkenden Gesicht Bericht.
    »Wir haben keinen Passagier entdecken können, Commodore. Weder im Laderaum noch in der Kombüse oder in den anderen Decks.«
    »Habt ihr die Fässer untersucht, bevor ihr sie rübergebracht habt?«
    Der Soldat überlegte einen Moment. »Ja, Commodore. Es fand sich aber auch nichts, abgesehen von Heringen, Gurken, Zwieback und Fett.«
    Torben blickte nicht minder erstaunt als der Soldat, hatte er eigentlich mit der Entdeckung des Fremden gerechnet. »Das ist seltsam«, murmelte er leise. DeRagni dreht sich zu ihm um.
    »Mir scheint, Euer Gast ist ein Meister im Versteckspiel. Nützen wird es ihm freilich nicht sehr viel, denn das Schiff wird jetzt und hier versenkt.«
    Der Commodore erteilte den Rückzugsbefehl, Rudgass wurde grob über die Planke auf die Fröhlicher Gruß geschoben.
    Aus dem Laderaum der Grazie ertönten dumpfe Axtschläge, dann zeigten das laute Krachen von Holz und mehrere Flüche, dass der Durchbruch gelungen war.
    Lidschläge später erschienen die letzten Angehörigen des palestanischen Enterkommandos, nass von oben bis unten und mächtige Äxte in den Händen haltend, die im Laufschritt auf das umgebaute Händlerschiff zurückkehrten.
    Die Fröhlicher Gruß stieß ab und setzte Segel, Schützen deckten die Grazie mit einem Schauer Brandpfeile ein, um alles über Deck, was das rogogardische Schiff irgendwie über Wasser halten könnte, zu vernichten.
    Torben Rudgass sah die brennende Grazie, auf der er fünf Jahre als Kapitän verbracht hatte, Stück für Stück untergehen.
    Polternd fiel die kokelnde Rahe aufs Deck und zerschlug ein großes Stück davon, feurige Segelfetzen schwebten tänzerisch auf die Wasseroberfläche nieder und erloschen mit einem lauten Zischen.
    Das Schiff bekam Schlagseite, und als sich der Rumpf ächzend nach Steuerbord senkte, stürzten ein paar der toten Piraten aus der Ladeluke und klatschten ins Wasser.
    »Kein schöner Anblick, nicht wahr?« DeRagni stand plötzlich neben dem Rogogarder und beobachtete das sterbende Schiff in seinem Todeskampf. »Ich habe schon zu viele palestanische Händlerschiffe in diesem Zustand gesehen, als dass ich Mitleid mit irgendeinem Seeräuber hätte. Mein Vater ließ wegen Männern wie Euch sein Leben, Rudgass.« Der Offizier ließ Vollzeug setzen und ging in Richtung Kapitänskajüte.
    Torben konnte sich vom Anblick der feuerumhüllten Grazie nicht losreißen, es hatte etwas Faszinierendes und Grausames zugleich, dem Ende seines Schiffes zuzusehen.
    Und trotz der Trauer und der Wut fragte er sich, was wohl aus seinem geheimnisvollen Passagier geworden war.
    Nach acht Tagen unter Deck im feuchtesten Winkel des palestanischen Schiffes waren die Wut und der Hass tief im Inneren von Torben Rudgass verflogen.
    Der Rogogarder fror ganz erbärmlich, das kalte Meereswasser umspülte unentwegt seine Füße und ließ die Haut aufquellen. Die scharfkantigen Eisenringe scheuerten schmerzhaft das Fleisch von den Gelenken und jede Bewegung verursachte ein Stechen, sodass der Pirat bereits die ersten Zeichen von Wundbrand spürte.
    Die Ratten hielten sich noch zurück und fraßen lediglich seinen Zwieback, wenn er nicht aufpasste.

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