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Schatten über Ulldart

Schatten über Ulldart

Titel: Schatten über Ulldart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Offenbar hatten sie noch keinen Gefallen an Menschenfleisch gefunden.
    Plötzlich fiel Licht in den finsteren Verschlag, zwei Palestaner erschienen und lösten die Ketten von den Plankenhalterungen, damit sich Torben erheben konnte.
    »Der Commodore will dich sehen«, sagte der Mann mit der Lampe, während der andere dem Rogogarder auf die Füße half.
    »Wie weit ist es noch bis zur tarpolischen Küste?«, fragte Torben. »Ich will nicht länger in diesem nassen Loch verfaulen. Hängt mich lieber gleich auf.«
    »Das entscheidet der Commodore.« Der Pirat erhielt einen Stoß in den Rücken, sodass er in Richtung der schmalen Holzleiter stolperte und sich an ihr den Kopf anschlug. »Wir steuern Ludvosnik an, eine der größeren Hafenstädte, die einen eigenen hoheitlichen Gerichtshof hat. Es wird noch eine Zeit lang dauern, bis du baumelst.«
    Schwerfällig erklomm Torben die Sprossen und stand nach einer Weile an Deck des Palestaners. Die frische Brise und feinen Gischtspritzer wirkten belebend, tief atmete er ein und freute sich einen kurzen Augenblick über die scheinbare Befreiung aus dem dunklen, feuchten Holzgefängnis.
    Auf dem Oberdeck herrschte geschäftiges Treiben, die Fröhlicher Gruß segelte mit Vollzeug und pflügte für ein so breites, schweres Händlerschiff mit beachtenswerter Geschwindigkeit durch die Wellen.
    Die palestanischen Matrosen turnten in der Takelage umher, zurrten Seile fest und begannen gerade mit dem Setzen zusätzlicher Segel am Bug des Schiffes. Kein Zweifel, die Fröhlicher Gruß hatte es verdammt eilig.
    Seine Bewacher zogen ihn an der Kette hinter sich her zur Kapitänskajüte, die Männer, an denen sie vorübergingen, warfen dem Piraten hasserfüllte Blicke zu.
    Torben schätzte, dass sie ihm am liebsten jetzt und hier ans Leben gegangen wären, er kam sich unterwegs vor wie bei einem Spießrutenlauf.
    Kurze Zeit darauf stand er in der geräumigen Kapitänskajüte, der Commodore saß nachdenklich hinter einem mächtigen Schreibtisch, auf dem in Ölpapier eingeschlagene Gegenstände lagen, und kaute auf einem Stück Süßholz.
    Die palestanischen Wachen drückten den Rogogarder auf einen Stuhl vor dem Tisch und stellten sich an die Tür.
    DeRagni sagte nichts und schien die Anwesenheit Torbens nicht bemerkt zu haben, sondern bearbeitete das Stückchen Holz weiter mit den Schneidezähnen, die Augen auf die Arbeitsplatte gerichtet. Der Pirat wartete ab.
    Als ob er in Gedanken weit entfernt gewesen wäre, regte sich der Commodore plötzlich, nickte dem Rogogarder zu und platzierte einen Holzbecher, den er aus der Schublade des Tisches nahm, vor seinem Gefangenen. Dann förderte der Palestaner aus den Tiefen des Faches eine Karaffe mit goldgelber Flüssigkeit zu Tage und schenkte zuerst Torben, dann sich selbst ein.
    »Was wisst Ihr über Euren ehemaligen Gast?« Der Commodore erhob sein Glas auffordernd und nippte daran.
    Torben schnupperte zuerst an der Flüssigkeit, die nach starkem Alkohol roch. Als er einen Schluck nahm, rann es wie flüssiges Feuer die Kehle hinab und verbreitete im Magen eine nicht unangenehme Wärme, die sich bald im ganzen Körper verteilte.
    »Das ist ein sehr guter Branntwein, Commodore«, sagte der Rogogarder, »vermutlich habt Ihr ihn vergiftet und Euch ein Gegengift eingeflößt, oder? Alle Palestaner sind hinterhältig. Das weiß jedes rogogardische Kind.«
    »Ihr tut mir Unrecht, Rudgass.« DeRagni lächelte, zog sich mit der freien Hand die gelockte Perücke vom Kopf und warf sie gekonnt auf den vorgesehenen Halter. »Ich habe Euch versprochen, dass Ihr einen Prozess bekommt, warum sollte ich Euch dann vorher umbringen? Das würde keinen Sinn ergeben. Außerdem habt Ihr meine Frage noch nicht beantwortet.«
    Torben ahnte, was ihm bevorstand und leerte den Becher in einem Zug. Der Commodore füllte nach.
    »Ich kann Euch nichts über den Passagier sagen, außer, dass es ein Mann war, ein bisschen kleiner als ich und etwas schmächtiger gebaut. Wir haben ihn in Gustroff an Bord genommen und ihn für einen Adligen oder einen Offizier gehalten, der sich aus irgendeinem Grund von zu Hause abgesetzt hat.«
    DeRagni lehnte sich vor, seine natürlichen, schwarzen Haare klebten am Schädel, die Pupillen waren stecknadelgroß und verrieten die angespannte Neugier des Palestaners. »Woher wollt Ihr das denn wissen? Hatte er eine Uniform an?«
    »Nein, das nicht. Aber er sprach eine Art Ulldart, als ob er die Sprache studiert hätte. Keine Mundart, keine

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