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Schatten über Ulldart

Schatten über Ulldart

Titel: Schatten über Ulldart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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sich nicht getäuscht. Nur träge hob und senkte sich der Bug in den Wellen, die gegen die Planken schlugen, als wäre das Holz eine starre Kaimauer.
    Ein Händler mit Gewürzen, Seidenstoffen oder Getreide käme gerade recht, denn die Männer wurden allmählich gereizt. Seit acht Wochen segelten sie an der nordwestlichen Küste Tarpols, und kein dicker Fisch war ihnen bisher ins Netz gegangen.
    »Was macht unser Passagier?« Torben, ein kräftiger Mann um die Dreißig mit kurzgeschorenen hellblonden Haaren und geflochtenem Bart, überlegte, ob er sich den Abstecher in Richtung des Palestaners erlauben sollte.
    Wie alle Rogogarder verstand er sich und seine Mannschaft als Freibeuter. Die Bezeichnung ›Pirat‹ hörte man im Inselreich nur sehr ungern.
    Zwar hatte der seltsame Mann unter Deck viel Gold bezahlt, damit sie ihn am nächsten rundopälischen Hafen absetzten, aber die Münzen würden im Vergleich zu einer ordentlichen Prise wenig wert sein. Gesehen hatte ihn der Kapitän zu Beginn der Fahrt, als er vor vier Tagen in Gustroff mit zwei schweren Seesäcken an Bord ging und die Fahrt gezahlt hatte. Danach nur noch einmal, mitten in der Nacht.
    Damals stand der mittelgroße, eher schmächtige Passagier im Umhang an Deck und betrachtete schweigend die Sterne. Als er mit ihm einen kleinen Plausch zur Befriedigung seiner Neugier halten wollte, verschwand der Kerl mit einem Nicken in seine Kabine, wo er auch sein Essen einnahm. Die Mannschaft machte sich bereits Sorgen wegen der Geheimnistuerei und befürchtete einen bösen Geist.
    »Er schläft«, antwortete sein Maat, Krenzen, der an der Seite des Kapitäns stand. »Er meinte, er wolle nicht gestört werden.«
    »Glaubst du, dass ihn das Entern des Händlers stören wird?«, grinste Torben und beförderte einen dicken Strahl Spucke über Bord.
    »Oh, wenn die Jungs entsprechend leise beim Zuschlagen sind, wird er nichts hören.«
    Torben lachte, dass die Creolen an seinen Ohrläppchen leise klingelnd aneinander schlugen, und hob wieder das Fernrohr.
    »Was hältst du von ihm? Ich tippe, er ist irgendso ein in Ungnade gefallender Adliger oder Hauptmann, der sich wegen Ehrverlust schmachvoll und klammheimlich aus seinem Land abgesetzt hat.«
    »Vielleicht flüchtet er auch vor ‘nem unehelichen Kind, Käpt’n«, Krenzen kratzte sich am Hintern und beobachtete die Piraten, die aufmerksam in ihre Richtung sahen und darauf warteten, dass ein Befehl kam. »Nein, du hast schon Recht. Einen Akzent hab ich allerdings noch nicht bei ihm gehört. Klingt ziemlich astrein, sein Ulldart. Zu rein. Als ob er’s studiert hätte. Und vom Körperbau her steht er den meisten Soldaten, die ich gesehen habe, in einigem nach. Also wohl eher ein Adliger als ein Kämpfer.«
    »Mir soll’s egal sein, warum er bei uns mitfährt. Er hat bezahlt, er kommt in Rundopäl an Land.«
    »Hat er nicht gemeint, so schnell wie möglich?«
    »Wir machen doch so schnell wie möglich, oder?« Torben zeigte auf das Handelsschiff, die grüngrauen Augen blitzten gut gelaunt. »Wir entern den so schnell wie möglich, verschwinden so schnell wie möglich, um die Ware und unseren geheimnisvollen Freund so schnell wie möglich in Rundopäl loszuwerden.« Die Männer lachten.
    »Was, bei allen Verdammten, hat der Pfeffersack denn geladen?«, murmelte der Schiffsführer leise, nachdem er den Tiefgang der möglichen Beute noch mal inspiziert hatte.
    »Könnte das nicht auch eine Falle sein, Käpt’n?« Der Maat kratzte sich den Bart, in dem die Läuse wieder einen Freudentanz veranstalteten. »Kein Palestaner ist so dumm und kreuzt hier oben so dicht an Rogogard vorbei und hisst dann noch die gotterbärmliche palestanische Flagge.«
    »Du hast Recht, Krenzen. Vermutlich haben sie den Laderaum voller Söldner und warten nur auf einen Angriff.« Torben hob den Kopf zum Ausguck. »Haben sie uns gesehen?«
    »Aye! Sie setzen gerade Vollzeug, Käpt’n«, brüllte der Mann von oben herunter. »Macht sie aber auch nicht viel schneller.«
    Einen Moment lang kämpfte der Befehlshaber der Grazie gegen das flaue, ungute Gefühl im Magen, doch dann siegte die Aussicht auf eine Prise.
    »Dann wollen wir mal schauen, ob sie es auf uns abgesehen haben oder ob sie wirklich nur reichlich dämlich sind.« Der Kapitän befahl einen Kurs, der das rogogardische Schiff, von den Ausmaßen nur etwa die Hälfte des Palestaners, auf eine Parallelbahn mit dem Händler brachte.
    Nach wenigen Meilen hatte man mit dem Flüchtenden, der

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