Schatten über Ulldart
bei Laune zu halten, und Ihr reitet durch die Landschaft, als hättet Ihr Euren Kopf zu Hause vergessen. Was beschäftigt Euch denn so?« Er zwinkerte ihm zu. »Ist es Norina?«
»Was?«, schreckte Lodrik auf seinem Sattel hoch. »Oh, es tut mir Leid. Ich bin sehr müde, die Nacht war furchtbar. Lass uns zurückreiten. Ich brauche nur ein wenig Schlaf.«
Stoiko schaute den Statthalter forschend an, nickte knapp und gab die Änderung der Pläne an den Rest der Gruppe durch.
Der Brojak war sehr bekümmert darüber, dass sein Gast kein Interesse am Ausritt zu haben schien. Vergeblich versuchte Stoiko ihm klar zu machen, dass der Gouverneur lediglich müde sei und sich nach ein paar Stunden Ruhe sehnte. Der Gedanke daran, dass der junge Mann nicht gut in seinem Haus geschlafen hatte, wirkte aber keineswegs beruhigender auf den Großbauern.
»Ich hoffe, dass wenigstens Norina mit den Vorräten rechtzeitig da ist, damit unser kleines Festessen stattfinden kann«, sagte er zu Waljakov. »Ich würde einen schlechten Eindruck bei Exzellenz hinterlassen.«
Lodrik saß zwar auf dem Pferd und schaukelte mehr schlecht als recht durch die wirklich sehenswerte Landschaft, war aber in Gedanken völlig woanders.
Warm lag das Amulett, das er unter der Rüstung verborgen trug, auf seiner Haut und schien sich fast schon lebendig anzufühlen. Es ging eine beruhigende Wirkung von diesem rätselhaften Schmuckstück aus, die sich der Statthalter selbst nicht erklären konnte.
»Seht, Exzellenz. Dort drüben reitet Norina.« Stoiko wies in die Ebene, die vor ihnen lag. »Wenn wir uns beeilen, können wir sie einholen und den Rest des Weges zum Gehöft begleiten. Was haltet Ihr von dem Vorschlag?«
»Schön. Macht das.« Lodriks Augen waren auf einen Punkt in weiter Entfernung gerichtet. »Ich warte hier so lange.«
»Er hat nicht mal verstanden, was ich zu ihm gesagt habe«, beschwerte sich der Vertraute beim Leibwächter. »Ist das so eine Art Provinzdepression? Landverzweiflung? Oder ist ihm die viele saubere Luft in den Kopf gestiegen?«
Waljakov zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hat er genug von deinem ständigen Geschwätz, dass er beschlossen hat, es in Zukunft nicht zu beachten.«
Langsam hob der Gouverneur den Kopf. »Aber natürlich. Es waren Modrak.« Sein Blick klärte sich, und er schien in die Gegenwart zurückzukehren. »Es waren Modrak!« Dann erst schien er den kleinen Tross unter sich zu bemerken. »Ist das da vorne nicht Norina? Weshalb reiten wir nicht dorthin und begleiten sie zum Anwesen?« Er stieß dem Pferd die Fersen in die Flanke und preschte los.
»Ich hätte schwören können, dass ich vor ein paar Lidschlägen das Gleiche gesagt habe, oder? So schlecht geschlafen kann kein Menschen haben, dass er am nächsten Morgen derart neben sich steht.« Der Vertraute legte die Hände ratlos auf den Sattel und blinzelte in die hellen Gestirne. »Dabei scheint die Sonne hier gar nicht mehr so stark. Es muss also wirklich die fehlende Nachtruhe sein, die ihn so abwesend macht. Und was, bei Ulldrael, sind Modrak?«
»Hinterher«, befahl der Leibwächter den Wachen lakonisch und sprengte den sanften Hügel hinab, Stoiko und der Brojak folgten etwas weniger schnell.
Norina sah die Reiterschar auf die kleine Wagenkolonne zugeritten kommen und ließ anhalten. Die bewaffnete Knechte stellten sich neben ihre Kutsche, die Waffen halb gezogen.
»Halt«, rief sie dem Statthalter entgegen. »Wer seid Ihr? Gebt Euch zu erkennen, bevor Ihr näher herankommt!«
Lodrik zügelte sein Pferd und stellte sich in den Sattel. »Erkennst du nicht das Wappen des Kabcar und das des Gouverneurs von Granburg? Ich bin Harac Vasja, Königlicher Beamter und Gouverneur der Provinz. Außerdem hatten wir beide bereits das Vergnügen.«
»Das Wappen des Gouverneurs kann jeder Strauchdieb auf seine Kleidung malen.« Ihre Augen funkelten. »Und Harac Vasja kenne ich. Der sieht aber nicht so aus wie Ihr.«
Im Hintergrund rollten Waljakov und die Wachen wie der leibhaftige Donner heran.
Lodrik grinste und musterte die junge Frau, die keinerlei Anzeichen von Furcht zeigte.
Sie trug ein leichtes, dunkelrotes Leinenkleid, ihre sehnige Hand lag drohend am Griff des beachtlich langen Dolches an ihrer Seite. Die Füße steckten in hohen Stiefeln. Norina hatte sich seit ihrer letzten Begegnung, was zumindest ihre weiblichen Rundungen anging, ein wenig weiterentwickelt, ihre schlanke Figur war ihr geblieben. Das lange, schwarze Haar trug sie
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