Schatten über Ulldart
Statthalter leise. »Ich stehe dir die ganze Zeit über auf den Füßen. Ich bin nicht besonders geschickt.«
»Die Schritte sind so einfach, das versteht wirklich jeder, Exzellenz. Sogar Ihr. Gebt Acht.« Sie bewegte sich im Takt der Musik, während Lodrik auf ihre Füße schaute und versuchte, sich die Reihenfolge zu merken, was ihm glücklicherweise recht schnell gelang.
»Und wie geht es jetzt weiter?«
»Ihr legt Eure Hände auf meine Hüften, ich lege meine Hände auf Eure Schultern, und dann machen wir die Schritte gemeinsam«, erklärte sie.
Zögerlich umfasste er sie an der angegebenen Stelle, und bevor er noch irgendetwas fragen konnte, setzte sich Norina in Bewegung.
Zuerst stolperte Lodrik einfach nur mit, doch dann fand er zusehends in den anstachelnden, wilden Rhythmus. Immer schneller drehten sie sich und sprangen zu den Tönen, die die Tagelöhner auf ihren Instrumenten spielten. Hatte die Brojakentochter anfänglich geführt, übernahm der Gouverneur beim dritten Lied das Ruder und stellte sich ziemlich brauchbar an.
»Wollt Ihr nicht eine Pause machen, Exzellenz?«, fragte Norina irgendwann atemlos. Ihre leicht mandelförmigen Augen glänzten voller Freude im Schein der aufgestellten Fackeln und der entzündeten Feuer. Schweißperlen glitzerten auf ihrer Stirn.
»Wieso? Ich habe die schönste Frau von ganz Ulldart in meinem Arm, weshalb sollte ich dann mit dem Tanz aufhören«, rief Lodrik überschwänglich und legte sich gefährlich in die Kurve.
»Sagt so etwas nicht, ich könnte mir direkt noch etwas darauf einbilden«, lachte sie. Das schwarze Haar wirbelte durch die Luft und strich angenehm kitzelnd über die Wangen des Statthalters.
Die Musiker hatten sichtlich Spaß an den Bemühungen der Tänzer und erhöhten das Tempo, die Schellentrommel peitschte die Paare an, doch Lodrik und Norina hielten sich eisern.
Ein anderes Tanzpaar konnte nicht mehr rechtzeitig ausweichen und kollidierte.
Der junge Gouverneur schaffte es im letzten Augenblick, das Gleichgewicht zu halten, aber die Brojakentochter geriet aus dem Tritt, taumelte gegen ihn und hielt sich an seinen Hals geklammert, um nicht zu stürzen.
Er spürte ihren erhitzten Körper durch den Stoff seiner Uniform, blickte in ihre dunklen Augen und hörte das übermütige, fröhliche Lachen der jungen Frau.
Ohne dass er es wollte, beugte er sich vor und drückte ihr einen langen Kuss auf den Mund. Dann ließ er sie, erschrocken von seiner eigenen Courage, los und erwartete die schallende Ohrfeige, die er für die Frechheit verdient hätte.
Doch es kam keine.
Norina schaute ihn nur an, aber das Lächeln wich nicht. »Ihr habt Euch wirklich verändert, Exzellenz. Ihr könnt plötzlich Komplimente machen und wagt einen Kuss vor allen Gästen. Macht Ihr das bei allen Damen, mit denen Ihr tanzt?«
»Ich … nein. Nur bei dir. Nein, ich meine«, stotterte er los. Die Röte schoss ihm ins Gesicht, er verbeugte sich tief und murmelte eine Entschuldigung. »Ich bringe dich besser an deinen Platz zurück. Du wolltest doch eine Pause.«
»Vielen Dank, Exzellenz. Und wenn Ihr mich noch einmal küssen wollt, solltet Ihr mich in Zukunft besser, auch wenn Ihr der Königliche Stellvertreter seid, um mein Einverständnis fragen.«
Die übrige Gesellschaft schien nichts von dem Vorfall bemerkt zu haben. Die Tänzer drehten sich immer noch im Kreis, die anderen Gäste klatschen im Takt oder unterhielten sich etwas abseits in kleinen Gruppen über granburgische Politik und Alltag.
»Habt ihr schön getanzt?«, fragte Miklanowo, als Lodrik zusammen mit dessen Tochter an der Tafel erschien.
»Exzellenz hat mehr Talent, als er zuerst von sich gedacht hat, auch wenn er zum Schluss eine Unachtsamkeit begangen hat«, antwortete die junge Frau und nahm sich einen Becher Wein.
»Ihr habt einen ganz roten Kopf vom vielen Tanzen, Herr«, schmunzelte Stoiko. »Es muss sehr anstrengend sein.«
»Das ist es in der Tat, auch wenn es sehr viel Spaß gemacht hat«, erklärte Lodrik knapp und stürzte einen Schnaps hinunter. Dann füllte er sich sein Gefäß mit Wasser. »Die Unachtsamkeit tut mir sehr Leid, aber sie war in diesem Moment unvermeidbar.«
Ein tiefes Fauchen gefolgt von einer gewaltigen Feuerwolke erregte die Aufmerksamkeit der Festgesellschaft. Einer der Musiker hatte sein Instrument gegen eine Fackel und einen Trinkschlauch ausgetauscht, aus dem er sich gerade den Mund füllte.
»Ein Feuerspucker«, rief der Gouverneur überrascht. »Ich
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