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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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zu betrachten.
    »Das geht dich nichts an!«, entfuhr es mir.
    Jetzt wirbelte sie zu mir herum. Ihre Augen funkelten. »Es geht mich sehr wohl etwas an! Ich weiß, du hörst es nicht gerne, aber ich bin eine von euch! Warum sollten wir Geheimnisse voreinander haben? Wir müssen zusammenhalten, gerade jetzt, da wir in Gefahr sind.«
    »Darüber scheinst du dir ja nicht viele Gedanken zu machen, wenn du mit Irves durch die Clubs ziehst.«
    »Irves ist nun mal der Einzige, der mit mir redet und kein Geheimnis um sein Leben macht.« Sie holte so krampfhaft Luft, als wollte sie sich mit aller Gewalt beruhigen. Dann fügte sie etwas freundlicher hinzu: »Ich will doch nur wissen, woran ich bin, und nicht ständig von dir abgewimmelt werden. Wenn es nur irgendein machohafter Beschützerinstinkt war, der dich dazu gebracht hat, mich von der Brücke zu holen, dann sag es mir! Aber hör auf, mich zu behandeln wie ein kleines Mädchen, das gefälligst zu denken und tun hat, was du ihm befiehlst.«
    »Ich sagte nur, du sollst dich von der Grenze fernhalten.«
    »Nein, du hast einfach für mich entschieden, dass es nicht gut für mich ist. Nur weil du die Grenze fürchtest, muss ich es auch tun. Ich will es aber nicht! Zum ersten Mal in meinem Leben fühlt sich etwas richtig an. Und es ist sogar noch mehr: Es gefällt mir, das zu sein, was ich nun mal bin.«
    »Hast du die Nachrichten nicht gesehen?«, brauste ich auf. »Der Mörder ist einer von uns! Wir sind zu so etwas fähig! Das ist die andere Seite.«
    »Ich bin aber kein Mörder. Und du auch nicht.«
    Beinahe hätte ich gelacht. Es wäre ein kaltes Lachen gewesen. »Du willst also wirklich wissen, warum ich meine Familie verlassen habe?«
    Ich musste die Augen schließen. Plötzlich war alles wieder greifbar nah: Die dunkle Straße, der Vorort von Paris, Ameisenbauten aus Beton. Schlechte Gegend, aber eine bessere Wohnung konnten Ghaezel und mein Schwager nicht bezahlen. Und dann die drei Typen, die mir auf den Fersen sin d …
    »Dann erzähle ich dir mal von meinem ersten Sprung über die Brücke«, sagte ich leise. »Initiationsritus. Ganz ähnlich wie bei dir. Drei von uns jagten mich in meine neue Existenz. Und als ich wieder zu mir kam, saß ich auf dem Dach des Hauses, in dem meine Schwester wohnte. Und einer der drei lag unten und war tot.«
    Zoës Augen waren groß. Klare, graue Seen, in denen sich meine Geschichte zu spiegeln schien. Ich schluckte krampfhaft. Meine Kehle war so trocken, dass jedes weitere Wort mühsam war.
    »Ja, schau mich an. Der nette Gil, dein Schutzengel, der dich gerettet hat, war für einen anderen der Todesengel. Du denkst, der Schatten sei eine zahme Hauskatze, aber das ist er nicht! Du magst ihn so gut kennen, wie du willst, du kannst ihn nie wirklich einschätzen. Bin ich unschuldig, nur weil mein Schatten mich mitgerissen hat? Nein, Zoë. Ich bin ein Mörder. Und davor wollte ich dich bewahren.«
    Ich hatte erwartet, dass sie geschockt sein würde. Dass sie vielleicht sogar einfach gehen würde. Aber sie sah mich nur an. »Erinnerst du dich daran?«, flüsterte sie. »Ich meine – an alles?« Das Mitgefühl in ihrer Stimme gab mir den Rest. Ich musste blinzeln und wegschauen.
    »Nicht an jedes Detail, aber für meinen Geschmack immer noch an viel zu viel«, sagte ich heiser. »Daran, dass wir an den Balkonen entlang nach oben kletterten. Daran, dass ich fiel und beinahe selbst draufgegangen wäre. Aus dem zweiten Stock können wir gerade noch so runterspringen, ohne uns zu verletzen, aber aus dem siebte n … Das ist glatter Selbstmord. Die drei wussten es und haben mich trotzdem dazu gebracht, dass ich das Gleichgewicht verlor. Sie gehörten zu den ganz Großen, ich hatte keine Chance gegen sie. Einer zog mir die Krallen so dicht an den Augen vorbei, dass ich ausweichen musste. Ich stürzte ein Stockwerk tiefer, dann konnte ich mich im letzten Moment an einem Balkongeländer abfangen. Aber unten wartete schon der Nächste auf mich. Im Flashback habe ich gesehen, dass ich ausholte. Und wie er stürzte.« Ich blickte sie wieder an, aber in ihren Augen lag kein Abscheu, nur trauriges Erstaunen. »Im Fernsehen haben sie sein Bild gezeigt«, sagte ich heiser. »Er hatte sich beim Sturz das Genick gebrochen. Sein Messer wurde später in der Nähe gefunden, er hatte es beim Sturz verloren. Man sprach von Rachefehden in der Illegalenszene und durchsuchte das ganze Haus, weil man vermutete, dass ihn jemand vom Balkon gestoßen hatte. Er

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