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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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amüsiert auf, als sie wieder zu mir trat. »Ab jetzt keine Geheimnisse mehr!«, befahl sie.
    Sie grinste und zupfte etwas vom Saum meines T-Shirts. Es war die kleine Plastikscheibe, in die ich vor Rubios Haus getreten war. »Oh, eine Kontaktlinse«, sagte Zoë. »Sie ist blau eingefärbt.«
     

Schlüssel
    Es gab auch praktische Seiten an unserem Dasein. Eine davon war die Tatsache, dass ich mir Entschuldigungen sparen konnte. Wir konnten uns an einem Abend an die Gurgel gehen, aber wenn wir uns das nächste Mal trafen, war der Stand wieder bei 0:0. Neuer Tag, neues Spiel. Zumindest bei Irves, Gizmo und mir war es so. Als ich Irves auf dem Rückweg von Zoës Wohnung anrief, hörte er nur schweigend zu, sagte »Okay« und legte auf. Kein Wort über die blutige Nase und auch keines über Zoë. Um Punkt neun Uhr war er im Café am Lindenplatz, ohne seinen Mantel, ganz schlicht in T-Shirt und Cargohose, mit winzigen Augen, und blinzelte im Tageslicht wie ein Maulwurf. Aber wahrscheinlich sah ich ebenso fertig aus. Nachdem ich Zoë nach Hause begleitet hatte (zumindest dagegen hatte sie nichts), hatte ich auf meinem Dach gesessen und zugeschaut, wie die Nacht und die aufgehende Sonne die Spiegelungen auf dem Flusswasser verwandelten. Ich hatte dem Gesang der erwachenden Stadt gelauscht in der Hoffnung, das Chaos in meinem Inneren wenigstens sortieren zu können. Keine Chance. Es war eher schlimmer geworden. Auch jetzt war die Erinnerung an unseren Kuss so gegenwärtig, dass ich völlig neben der Spur war. Ich war sicher, Irves musste alle Signale so deutlich empfangen, als würde ich ihm ins Ohr schreien, was zwischen Zoë und mir los war. Aber er blickte nicht einmal auf, als ich mich zu ihm setzte, sondern rührte weiter in seinem Kaffee. Nun, vielleicht war ich doch ganz gut darin, so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Als Irves sich endlich mir zuwandte, erkannte ich, dass das linke Jochbein lila schimmerte und die Nase an der Seite angeschwollen war. Ich konnte nicht sagen, dass ich stolz darauf war. Aber ich schämte mich auch kein bisschen dafür.
    »Hi, Loverboy«, sagte er mit einem süffisanten Grinsen. So weit zum Thema, dass ich meine Schwingungen vor Irves abschirmen konnte.
    Er musterte mich und deutete dann auf meine neue Schramme am Hals und die ramponierten Fingerknöchel. »War Zoë wenigstens beeindruckt?«
    »Maul, Casanova!«, fuhr ich ihn an.
    Irves lachte. »Ich hatte ja gehofft, dich gestern ein bisschen mehr aus der Reserve locken zu können«, bemerkte er. »Aber du klammerst dich wirklich mit Zähnen und Klauen am alten Gil fest.«
    Ich hatte mir vorgenommen, die Sache ruhen zu lassen, aber jetzt konnte ich mich doch nicht zurückhalten. »Warum schleppst du sie durch die Clubs?«, fragte ich. »Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?«
    Irves zuckte mit den Schultern und hob die Tasse an die Lippen. Ich konnte kaum mitansehen, dass er tatsächlich einen Schluck von dem Kaffee trank. Prompt verzog er angewidert den Mund und stellte die Tasse so hart ab, dass der Kaffee über den Rand schwappte.
    »Immer noch ekelhaft«, meinte er. »Wenn ich daran denke, dass ich mal fast ausschließlich von Kaffee gelebt hab e …«
    »Ich habe dich was gefragt, Geistermann!«
    Er lächelte nicht mit dem Mund, nur seine Augen wurden schmaler. Ich konnte das dunkle Rot seiner Netzhaut durch die Pupillen sehen – und das Schimmern des Raubkatzenblicks.
    »Zoë versteht wirklich etwas von Musik«, sagte er dann. »Und sie gefällt mir.« Seine Augen bekamen den faszinierten Schimmer, den ihm sonst nur ein neues Musikstück entlocken konnte. Unter der Tischplatte ballte ich die Hände zu Fäusten. Die Eifersucht fühlte sich an wie ein Schauer aus scharfkantigen Spänen, die durch meine Brust schnitten. »Sie ist wie ich«, fügte Irves leise hinzu. »Sie braucht keinen, der ihr sagt, wo es langgeht. Und sie kann sehr gut auf sich selbst aufpassen.« Er grinste noch breiter. »Sie ist ziemlich cool. Das Einzige, worüber sie sich beschwert hat, als ich sie vor ein paar Tagen abgeholt habe, war, dass sie schon ihr zweites Paar Schuhe verloren hat, seitdem sie sich verwandelt. Im Gegensatz zu dir trauert sie nur ihren Klamotten hinterher, nicht ihrer früheren Existenz.«
    Zwei Paar Schuhe? , dachte ich. Er senkte die Stimme und flüsterte: »Ich glaube, wenn sie will, kann sie ein richtiger Killer sein.«
    »Mach keine Witze darüber«, herrschte ich ihn an. »Du willst was von ihr, stimmt’s?«
    »Klar.

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