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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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hupte und überholte sie auf der Höhe des Planetariums.
    Zoë taumelte und keuchte und wurde langsamer. Gehetzt blickte sie sich um, denn sie hätte schwören können, dass jemand hinter ihr war. Aber die Straße war so gut wie leer. Mit Seitenstechen kam sie an der Straßenecke bei den Kiosks zum Stehen. Sie hätte erschöpft sein müssen, müde, aber die Unruhe pulsierte immer noch durch ihre Adern. Vielleicht zitterte sie deshalb am ganzen Körper. Ein Gefühl, als müsste sie aus ihrer Haut.
    Am Ende der Straße erhob sich der getünchte Hochhausklotz, sie konnte den Balkon im sechsten Stock sehen. Mit der Ernüchterung kamen die Scham und das Entsetzen. Ellens Blick, der stumme Aufschrei, das Blut. Und erschreckender als alles andere: Zoës Triumph, so hart getroffen zu haben. Verdammt, was war los mit ihr? Manchmal, in den Nächten, hatte sie sich tatsächlich gewünscht, ihrer Freundin wehzutun. Aber sie wirklich niederzuschlagen? Was auch geschehen war, es war immer noch Ellen!
    Zoë schluckte und rang nach Luft – und dann brach sie in Tränen aus. Zwanzig Tage Wut und Stärke, einfach weggewischt.
    Eine Frau, die einen Kinderwagen aus einem Kiosk bugsierte, hielt inne und musterte sie fragend. Zoë wandte sich ab und suchte vergeblich nach einem Taschentuch. Sie schniefte und wischte sich mit dem Unterarm über die Nase. Mitten in der Bewegung erstarrte sie. Durch den Tränenschleier sah sie einen dicklichen Mann in ausgebeulten schwarzen Trainingshosen und einem ebenso ausgeleierten T-Shirt. Er stand halb im Schatten, an den Lotto-Kiosk gelehnt. Einen Augenblick lang war Zoë verwirrt. Aber es konnte unmöglich der Jogger aus der Nebenstraße sein. Erstens sah er nicht so aus, als wäre er trainiert, und zweitens war er im Gegensatz zu ihr kein bisschen außer Atem.
    »Hi«, sagte er und strich sich mit einer seltsam gezierten Bewegung die quer gelegten Haare auf der Halbglatze glatt. Zoë fröstelte.
    Seine Fingerknöchel waren aufgeschürft. Und er hatte rötlichen Dreck unter den Nägeln. Die Augen waren hellblau und hatten etwas Stechendes, Starres. Hat er Drogen genommen? Ein unangenehmer Geruch ging von ihm aus. Schweiß, der etwas zu scharf roch, dazu der Dunst ungewaschener Kleider.
    Zoë drehte sich auf dem Absatz herum und machte, dass sie davonkam. Ist es dumm, auf das Haus zuzulaufen?, dachte sie beunruhigt. Der Kerl beobachtet mich!
    Als sie keine Schritte hörte, wagte sie einen flüchtigen Blick über die Schulter und atmete auf. Er war verschwunden. Also doch nur irgendein Idiot, der nichts Besseres zu tun hatte, als Leute anzuquatschen. Dennoch blieb ein seltsames Gefühl zurück.
    Atemlos kam sie bei der Bushaltestelle an. Beinahe wäre sie auf etwas getreten, was neben dem Fahrkartenautomaten lag. Eine Armbanduhr. Silber, gelbe Streifen. Sie wusste nicht warum, aber sie bückte sich und hob die Uhr auf. Im Laufen warf sie einen genaueren Blick darauf. Das Armband war gerissen, aber ansonsten sah sie neu aus. Allerdings hatte das Uhrglas aus Plastik einen Kratzer. Genau vierzehn Minuten vor drei war die Uhr stehen geblieben. Doch als Zoë mit dem Mittelfinger gegen das Gehäuse schnippte, ruckte der Sekundenzeiger und begann wieder zu laufen, als sei nichts gewesen.
     

Dschungelfunk
    Diesmal war es ziemlich schlimm. Ehrlich gesagt verfluchte ich Zoë in dem Moment, in dem ich wieder zu mir kam. Ich versuchte die Augen zu öffnen. Schlechte Idee. Ich war blind. Eigentlich wollte ich aufschreien, aber das ist gar nicht so einfach, wenn man das Gefühl hat, gerade unter einer Dampfwalze hervorgekrochen zu sein. So kam nur ein Stöhnen über meine Lippen.
    »Willkommen zurück«, sagte eine ruhige Stimme aus dem Off. Als hätte jemand meine Sinne wieder angeknipst, nahm ich auch mein Umfeld deutlicher wahr: Piepsen und Surren, das Klappern einer Tastatur. Und den Geruch nach Kellerstaub und durchgeschmorten Kabeln. Die Erleichterung ließ mich das Pochen in meinem Schädel für einige Momente vergessen. Ich war in Sicherheit!
    »Gizmo?«, flüsterte ich. »Meine Auge n …«
    »Nimm den Lappen runter«, kam die trockene Antwort. »Aber freu dich nicht zu früh – wenn das Eis weg ist, lässt die Taubheit nach.« Ich konnte den ironischen Unterton in seiner Stimme hören, als er hinzufügte: »Ich wette, Gefrierbrand wäre dir lieber.«
    Ich schluckte mühsam und ließ die Informationen langsam in mein Gehirn sickern. Irgendwie hatte ich es geschafft, zu Gizmo zu kommen. Zumindest

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