Schattenauge
Kilogramm.
Einordnung: Hyänen (Hyaenidae)
Ordnung: Raubtiere (Carnivora)
Überfamilie: Katzenartige (Feloidea)
»Stimmt«, flüsterte Zoë. »Jetzt, wo ich es les e … Die Tiere am Fuß der Feuerleiter sahen tatsächlich aus wie Hyänen!«
»Die Biester sind Katzenartige?«, presste Gizmo zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich fasse es nicht! Und diese verdammten Aasfresser wollen sich unsere Stadt unter den Nagel reißen?«
Ich zuckte zusammen. Mit einem Mal kam ich mir nur noch wie das ahnungslose und leicht zu blendende Opfer eines Magiers vor. Ich hätte es wissen müssen – Rubio hatte es mir sogar noch ganz offen gesagt. »Die Aasfresser warten nur darauf, die elenden Reste einstiger Größe zu verschlingen. Und wir haben es nicht besser verdient, zu schlecht haben wir unseren Auftrag erfüllt.« Seine Worte hallten wie ein hämisches Echo in meinem Kopf wider. Mein Zorn auf ihn wallte so weiß glühend und schmerzhaft in mir auf, dass ich mit aller Kraft die Zähne zusammenbiss. Du hast es tatsächlich gewusst, alter Mann! Und du hast es einfach so geschehen lassen. Mehr noch: Du hast deine Gemeinschaft kaltblütig ausgeliefert, weil du der Meinung warst, sie hätte es verdient! Wenn er nicht schon tot gewesen wäre – in diesem Moment hätte ich ihn mit größtem Vergnügen aus dem Fenster gestoßen.
»Sie sind aber keine reinen Aasfresser«, sagte Zoë. »Lies weiter!«
Die landläufige Meinung, dass sie Aasfresser seien, trifft nur bedingt zu. Der Anteil der selbst erlegten Beute liegt bei fünfundachtzig Prozent. Tüpfelhyänen zum Beispiel können ihre Beute mit einer Geschwindigkeit von über sechzig Kilometer pro Stunde hetzen. Sie leben in großen Rudeln, die von einem dominanten Weibchen angeführt werden. Zusammen bewohnt das Rudel ein Revier, dessen Zentrum der Bau ist. Obwohl sie sich sehr aggressiv verhalten, zeigt das Rudel ein hoch soziales Verhalten, wenn es darum geht, einzelne Rudelmitglieder zu verteidigen.
Irves stieß einen leisen Pfiff aus. »Und wir sind blind und taub dafür gewesen!«
Die Atmosphäre in der Wohnung hatte sich schlagartig verändert. Wenn ich sie hätte beschreiben müssen, wäre mir am ehesten die Farbe »Stahlgrau« eingefallen. Blank, schmucklos, hart wie ein Boden, auf dem man schmerzhaft landet. Und wir waren eben sehr schmerzhaft aufgekommen. Es war kein Spiel mehr – und wir alle wussten es.
»Eins nach dem anderen«, sagte ich, weil irgendjemand etwas sagen musste. »Wir gehen die Mails durch und jede Datei, die wir von Rubio haben. Und dann sehen wir uns die Nachrichten an, die Gizmo aufgenommen hat. Irgendwo werden wir Hinweise finden.«
Als keiner antwortete, speicherte ich die Seite mit Lesezeichen ab und rief meinen Provider auf. In fieberhafter Hast loggte ich mich ein. Spannung zitterte in der Luft, als wir darauf warteten, wann endlich der Posteingang angezeigt wurde. Endlich erschienen die Mails, die ich von Rubios Rechner aus an mich weitergeleitet hatte. Und auch Gizmos Nachrichten blinkten auf.
»Was ist das?«, flüsterte Zoë und tippte mit dem Fingernagel auf den Monitor – genau an die Stelle, an der sich Gizmos Nachricht mit meinen angehängten Handyfotos befand. »Betreff: Killer-Zoë auf der Brücke«.
Ich verzog das Gesicht. In Augenblicken wie diesen war Gizmos Humor einfach nur zum Kotzen.
»Nichts Wichtiges«, sagte ich. »Nur ein Schnappschuss. Eigentlich hatte ich den Wrestler fotografiert, um zu sehen, ob ich seinen Schatten auf dem Bild sehen kann.«
»Ich will es sehen.«
Ich seufzte, suchte das Foto und klickte die Datei auf. Bisher hatte ich es nur in Handydisplay-Größe gesehen. Jetzt aber, als es fast den halben Monitor einnahm, wirkte es wie ein Flashback.
»Wie ich gesagt habe«, raunte Gizmo neben mir. »Es waren nur Zoë und Marcus auf der Brücke. Bist du wirklich sicher, dass es die Hyänen waren? Oder siehst du da irgendwo ein Rudel?«
»Was willst du damit sagen?«, zischte Zoë ihm zu. »Ich habe euch schon mal gesagt, ich war es nicht. Als ihn jemand getötet und ins Wasser geworfen hat, war ich längst auf die Brücke geklettert. Ich konnte von oben sehen, wie er ins Wasser fiel – aber ich war mindestens zehn Meter von ihm entfernt!«
Verdutzt blickte ich zu ihr hoch. Sie erinnerte sich auch daran?
Sie deutete meinen zweifelnden Blick wohl falsch, denn sie kniff die Lippen zusammen und rückte ein wenig von mir ab. »Es muss noch jemand auf der Brücke gewesen sein!«,
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