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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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kann jederzeit gehen und mein Zelt woanders aufschlagen. Aber in irgendeinem Winkel meines Herzens wusste ich, dass das längst nicht mehr stimmte. Irgendwann war »die Stadt« zu »meiner Stadt« geworden. Und die Vorstellung, dass jemand mich daraus vertreiben wollte, war unerträglich.
    Ich holte Luft und versuchte, meine chaotischen Gedanken wenigstens ansatzweise zu ordnen. Ich erinnerte mich an das glatte braune Haar der Frau. An ihre hohen Schuhe und die Sonnenbrille, die sich gut dafür eignen würde, den Schatten in ihren Augen zu verbergen. Doch warum hatte ich trotz alldem nicht wahrgenommen, was sie in Wirklichkeit war? Der stechende Parfümgeruch fiel mir ein. Und die Tatsache, dass sie in einem Winkel gestanden hatte, in dem der Wind für sie günstig war.
    »Vielleicht müssen sie sich gar nicht für jemand anders ausgeben«, sagte ich langsam. »Vielleicht haben sie tatsächlich eine menschliche Existenz.« Ich drehte mich um. »Es ist leichter, in der Masse der Menschen mitzuschwimmen, statt sich wie Julian als bunter Hund von allen anderen abzuheben. Und wenn du Makler bist, kommst du auch in einer neuen Stadt schnell an leer stehende Wohnungen und Gebäude. Ideal für einen Eindringling. Du bleibst flexibel und kannst dich verbergen. Du kannst dich einnisten, dir ein Netz von Schlupfwinkeln schaffen und in aller Ruhe dein Vorgehen planen. Wahrscheinlich haben sie eine Weile gebraucht, um herauszufinden, wer welches Revier hat und wer überhaupt zu uns gehört.«
    »Und warum erkennen wir sie nicht?«, fragte Irves. »Wenn ich einen von uns sehe, dann nehme ich ihn wahr. Ich muss ihm nur in die Augen schauen.«
    Es war dieser Moment, als es bei mir endgültig Klick machte. Zoë und die Frau . Der Zusammenstoß vor Rubios Tür.
    Beinahe hätte ich gelacht.
    »Tarnung«, sagte ich. »Sie sind menschlicher als alle normalen Leute. Perfekt gekleidet, sie tragen Stöckelschuhe, um den Raubtiergang zu kaschieren. Tonnenweise Parfüm, um uns einzunebeln. Sonnenbrillen gegen den Schatten. Glatt und perfekt. Und wenn sie keine Sonnenbrillen tragen, dann haben sie gefärbte Kontaktlinsen.«
    An Zoë gewandt fügte ich hinzu: »Die blaue Kontaktlinse! Sie muss ihr herausgefallen sein, als du sie umgerannt hast. Und ich habe sie gefunden.«
    Zoë blieb der Mund offen stehen. Jetzt sah zur Abwechslung sie aus wie das Opfer eines Magiers. Abrakadabra, und blau und harmlos ist das Katzenauge!
    Gizmo stieß zischend die Luft aus und schüttelte fassungslos den Kopf.
    »Klasse«, knurrte er. »Dann müssen wir die Killer also nur noch aus der Menge herauspicken: Jede Frau im Kostüm mit Brille oder mit blauen Augen ist verdächtig. Und was, wenn es Dutzende sind? Oder noch mehr? Eine Hyänen-Invasion? Ein Riesenrudel?«
    »Wenig wahrscheinlich«, erwiderte ich. »Wir waren vierzehn in der Stadt. Offenbar sind sie nicht in der Überzahl, sonst hätten sie nicht einen nach dem anderen absondern müssen, um mit ihm fertig zu werden. Ich schätze, es sind weniger.«
    »Mindestens vier«, sagte Zoë und fröstelte sichtlich beim Gedanken daran. »So viele habe ich am Fuß der Treppe gesehen.«
    Gizmo schwang auf dem Stuhl herum und begann wieder auf den Tasten herumzuhämmern. Im nächsten Augenblick erklang schon die Stimme des Reporters, der über Barbs Tod berichtete. Ich ging zurück zur Gruppe und verfolgte die gespeicherten Nachrichten, die Gizmo eine nach der anderen abspielte. Es schien Jahre her zu sein, dass ich beim Sportplatz gestanden hatte. Ein bewölkter Tag, die regennassen Tartanbahnen. Und am Rand die Menschenmenge.
    »Zoë?«, fragte Gizmo. »Erkennst du jemanden?«
    Zoë kniff die Augen zusammen und deutete auf zwei Frauen in der Menge. Eine davon hatte rotes Haar. Vermutlich war das diejenige, die ich im Weggehen für Barb gehalten hatte.
    »Die zwei standen an der Bushaltestelle – in der Nacht vom St. Patrick’s Day«, sagte sie.
    »Was nichts bedeuten muss«, gab Irves zu bedenken.
    »Dann machen wir es anders«, sagte Gizmo.
    Er rief wieder eine Suchmaschine auf und gab »Juna Talbot« ein. Einige Notizen erschienen – und der Bericht, den ich neulich auch im Fernsehen gesehen hatte. Da war sie: das perfekte, scharf geschnittene Gesicht und die glatte Frisur. Hochglanzoptik und diese unglaublich blauen Augen, die bei genauer Betrachtung tatsächlich nicht echt sein konnten . »Wir planen ein ganz neues Konzept der Vernetzung zwischen städtischen und privaten Trägern« , erklärte sie

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