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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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es also tatsächlich. Sie bewegte sich in einem leeren Raum, wurde kein einziges Mal aus Versehen berührt oder angerempelt. Und je mehr sie sich in den anderen Zustand vortastete, desto deutlicher konnte sie den unsichtbaren magischen Kreis, der sie umgab und abgrenzte, wahrnehmen.
    Die Schule wirkte wie ein Hochglanzbild aus einer Werbebroschüre: Frisch gestrichen, mit neuen Fenstern, die den regnerischen Himmel spiegelten. Keine Graffiti an der Wand, keine Zeichen von Zerstörung. Und die Tartanbahnen und Spielfelder waren so neu, dass die weißen Markierungen Zoë entgegenleuchteten wie frisch poliert. Eine Gruppe älterer Mädchen wärmte sich am Rand der Bahnen auf. Zoë nahm all ihren Mut zusammen, dann trat sie zu ihnen. Eine Blonde, die mindestens einen Meter achtzig groß war und wie eine Studentin aussah, schien ganz nett, also wandte sich Zoë an sie.
    »Hallo! Seid ihr die Trainingsgruppe von Frau Thalis?«
    Die Blonde unterbrach ihre Stretching-Übung und wandte sich ihr zu. »Ja, sind wir, warum?«
    Zoë schluckte. Mit einem Mal starrten alle sie an. Die Front aus herablassenden Mienen schüchterte sie ein.
    »Ich komme zum Training«, antwortete sie mit fester Stimme.
    »Bei uns?«, fragte die Blonde zweifelnd. Die anderen musterten ihre alten Sportschuhe, die sie in einer der Kisten unter dem Bett gefunden hatte, und zeigten nur ein mitleidiges Grinsen. Zoë presste die Lippen zusammen und fasste ihre Tasche fester. Das fing ja gut an!
    Ein Mädchen mit lackschwarzem Haar und dunklem Teint konnte sich ein Lachen kaum verkneifen. »Wie alt bist du? Zwölf? Die Gruppe ist für Leute ab achtzehn!«
    »Das weiß ich«, erwiderte Zoë. »Frau Thalis will mich in der Gruppe haben.«
    »Wirklich?«, fragte die Schwarzhaarige spitz. »Als was? Team-Maskottchen?«
    Zoë wollte ihr gerade eine scharfe Antwort geben, als sie einen Geländewagen an der Straße halten sah. Grelle Xenon-Scheinwerfer blendeten sie. Zoë fragte sich gerade, wer mitten am Tag mit Licht fuhr, als Frau Thalis ausstieg.
    »Na los, warum steht ihr herum?«, rief sie der Gruppe statt einer Begrüßung zu. Das Kommando wirkte. Die Mädchen entfernten sich auf der Stelle und wandten sich wieder den Übungen zu. Nur Zoë blieb stehen und wartete. Frau Thalis hob erstaunt die Brauen, als sie Zoë sah. Doch dann lächelte sie. Sie schloss das Auto ab und kam auf Zoë zu. Das holzige Parfüm, das die Lehrerin immer trug, kam Zoë heute erstickend stark vor.
    »Ich dachte, du bist krank?«, meinte sie. »Oder war das eine Spontanheilung?«
    »Es ging mir etwas besser und ich wollte mir die Gruppe ansehen.«
    Die Lehrerin deutete auf die Turnschuhe. »Ansehen oder mitlaufen?«
    »Nun… eigentlich mitlaufen.«
    Frau Thalis’ Begeisterung hielt sich in Grenzen.
    »Ich habe mit deiner Mutter telefoniert«, sagte sie. »Sie ist nicht damit einverstanden, auch wenn sie keine richtigen Gründe vorbringen konnte. Eigentlich dürfte ich dich heute also gar nicht trainieren lassen.«
    Die Schwarzhaarige blickte zu ihnen herüber und Zoë glaubte in ihrer Miene so etwas wie spöttischen Triumph wahrzunehmen. Zum ersten Mal sah Zoë sie genauer an. Sie war eine Schönheit. Ähnlich groß wie Zoë, aber bei Weitem anmutiger. Abwarten, Puppengesicht!, dachte Zoë.
    »Ich werde trotzdem laufen!«, erwiderte sie etwas zu heftig. »Ich weiß, dass meine Mutter dagegen ist, aber es ist meine Entscheidung. Ich möchte wenigstens hier beim Probetraining mitmachen. Für mich. Um auszutesten, ob ich es kann. Und wenn es mir liegt, denke ich nicht daran, mir diese Chance nehmen zu lassen. Dann werde ich einen Weg finden und dafür sorgen, dass ich die Unterschrift bekomme.«
    Frau Thalis antwortete nicht, aber Zoë glaubte ein Lächeln auf ihrem unbewegten Gesicht zu erahnen. »Verstehe«, meinte sie nach einer Weile. »Kämpfernatur. Also schön. Carla!«
    Von allen Mädchen drehte sich ausgerechnet die Schwarzhaarige um. Als sie sich widerwillig in Bewegung setzte, erkannte Zoë an den koordinierten Bewegungen, dass sie es mit einer Sportlerin zu tun hatte, die es nicht gewöhnt war, Zweite zu werden.
    »Carla, das ist Zoë. Heute seid ihr Trainingspartner und lauft eine Runde gegeneinander.«
    Carla nickte nur und streckte Zoë die Hand hin. Ihre Miene zeigte keine Regung, aber ihr Händedruck war hart und ihre Augen sprühten Blitze. Zoë gab sich keine Blöße und hielt beim Händedruck dagegen.
    »Aufwärmen! Fünf Runden!«, rief Frau Thalis.
    Im Vergleich

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