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Schattenblicke - Thriller

Schattenblicke - Thriller

Titel: Schattenblicke - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen-Susan Fessel
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trägt sie mit einem Lächeln im Gesicht das Essen auf einem Tablett herein und stellt es auf dem Tisch ab, aber nach einem Blick auf mich, die ich immer noch mit umschlungenen Knien auf der Liege hocke, dreht sie sich zu dem Typen mit der Narbe um, der in der Tür steht und uns beobachtet, und spricht ein paar Sätze mit ihm. Er zuckt mit den Schultern, geht zum Fenster und öffnet es, dann marschiert er hinaus und schließt die Tür hinter sich ab.
    Verwirrt starre ich die alte Frau an, die mich anlächelt und sich dann auf dem Stuhl am Tisch niederlässt und die Haube vom Teller nimmt. » Prijatno! «, sagt sie zufrieden.
    Das Wort kenne ich. Guten Appetit! Aber den habe ich nicht.
    Diesmal gibt es ein Stück dunkel gebratenes Fleisch, dazu Kartoffeln und Bohnenbrei, außerdem einen Salat.
    Ich schüttele den Kopf, aber das lässt die alte Frau nicht gelten. Sie schiebt den Teller zu mir herüber, legt das Besteck noch mal neu daneben aus und nickt mir aufmunternd zu.
    Komisch, irgendwie tut mir ihre Anwesenheit wohl. Aus ihren leicht wässrigen Augen scheint Mitgefühl zu sprechen, und ich habe das Gefühl, dass sie es gut mit mir meint.
    Ob sie eigentlich weiß, was das Ganze hier soll?
    Aber wie soll ich sie fragen?
    » Dobre! «, sagt sie und zeigt auf den Teller. » Prijatno, devojčice! «
    Devojčice. So hat mich meine Oma immer genannt!
    Mädchen heißt das.
    Die alte Frau ist Serbin. Eindeutig.
    Das Etikett der Flasche, die Gartenlaube. Prijatno . Dobre . Bin ich in Serbien?
    Ich nehme die Gabel und probiere ein wenig Bohnenmus.Es schmeckt gut, ziemlich würzig, und zusammen mit den Tomaten- und Gurkenscheiben richtig lecker.
    Ich esse unter dem freundlichen Blick der alten Frau einige Happen, während ich fieberhaft überlege, wie ich ein paar Informationen aus ihr herausbekommen könnte. Dann lege ich die Gabel hin.
    » Serbia? «, frage ich. » Is this Serbia? «
    Sie sieht mich verständnislos an, dann zuckt sie mit den Schultern und zieht aus ihrer Schürzentasche ein Strickzeug heraus: Stricknadeln und grüngelbe Wolle, die sie offenbar gerade zu einem Strumpf verarbeitet.
    » Is this Serbia? « Verdammt, wie heißt denn Serbien noch mal auf Serbisch? Ich kann mich nicht erinnern. Es ist so lange her! Über zehn Jahre.
    » Serbia? «, frage ich nochmals.
    Sie kneift die Augen zusammen, dann, ganz plötzlich, scheint ihr etwas aufzugehen.
    » Republika Srbija! «, ruft sie und nickt freundlich. » Da, da! «
    Na also! Wenigstens etwas. Ich ringe mir ein Lächeln ab, und sie lächelt zurück, bevor sie sich wieder ihrem Strickzeug widmet.
    Ich studiere das faltige Gesicht der alten Frau, die mir jetzt ruhig gegenübersitzt und an ihrem Strumpf strickt. Das ist alles absurd. Total unwirklich.
    Soll das hier eine Entführung sein oder was? Miteiner alten Oma als Bewachung? Einer strickenden alten Oma?
    Plötzlich fällt mir etwas ein, und ich nehme das Foto von meinem Vater und mir und halte es ihr hin. » You know us? «
    Die alte Frau sieht mich nachdenklich an, dann studiert sie das Bild. » Dobre! «, sagt sie freundlich und nickt.
    Sinnlos.
    Ich lege das Bild wieder hin, dann kommt mir eine Idee. Schnell krame ich im Rucksack herum, bis ich mein Portemonnaie finde. Zögernd ziehe ich die ungarischen Forint heraus und halte sie der alten Frau hin.
    » Please! «, bitte ich leise. » Let me go! « Ich zeige zur Tür hinüber.
    Die alte Frau sieht das Geld an, dann mich. Sie hat aufgehört zu stricken, und in ihrem Blick liegt jetzt etwas, das mir eine Gänsehaut macht. Bedauern. Mitleid. Mitgefühl.
    Plötzlich dringen Stimmen durch das offene Fenster herein, Männerstimmen, mehrere. Sie klingen aufgebracht, einer schreit fast, ein anderer redet besänftigend auf ihn ein. Wenn ich nur …
    Im nächsten Moment springe ich auf und stürze zum Fenster, an der erschrocken aufblickenden alten Frau vorbei. Mit Wucht versuche ich die Fensterläden aufzustoßen, aber vergeblich.
    »Lasst mich raus! Hilfe!«, schreie ich. » Help! Help me! « Dann schlage ich gegen die Läden. Sie beben, aber sie halten stand. Ich schlage wieder dagegen. Und wieder und wieder.
    So lange, bis mich jemand an der Schulter fasst. Ich schüttele die Hand ab.
    »Beruhige dich bitte!«, sagt eine Stimme.
    Ich erstarre. Dann fahre ich herum.
    Vor mir steht der Junge. Der Junge mit den schönen, traurigen Augen.

Teil III

9 // Dienstagnachmittag
    »Beruhige dich bitte«, sagt er noch einmal. Dann versucht er ein Lächeln. »Dir

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