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Schattenblicke - Thriller

Schattenblicke - Thriller

Titel: Schattenblicke - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen-Susan Fessel
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bin ich?
Was wollen die Entführer?
Welche Rolle spielt der Junge?
Weiß die alte Frau Bescheid?
Woher haben sie das Foto?
Was hat mein Vater mit der Sache zu tun?
Was wird mit mir geschehen?
    Als ich die letzte Frage notiere, wird mir eiskalt. Für einen Moment sehe ich mich selbst, mit einer Kugelim Kopf, auf dieser Liege ausgestreckt, auf der ich jetzt hocke. Wieder kommt die Angst in einer großen Flutwelle über mich.
    Ich bin in Lebensgefahr, so sieht es aus. Da kann der Junge mich noch so flehend ansehen, da kann die alte Frau noch so freundlich lächeln.
    Entführer riskieren alles. Auch den Tod.
    Den eigenen.
    Und den ihrer Geisel.
    Ich versuche mich zusammenzureißen, und das klappt am besten, wenn ich die Fragen nacheinander abarbeite.
In Serbien vermutlich. Eventuell aber auch in Ungarn, aber dann werde ich von Serben gefangen gehalten.
    Natürlich kann ich auch sonst wo sein, aber wenn ich ganz scharf nachdenke, dann weiß ich, dass ich nicht länger als zwei Stunden bewusstlos gewesen sein kann, höchstens drei. Als ich aus dem Hotelzimmer in den Hinterhof gelaufen bin, war es kurz nach fünf, und als ich aufgewacht bin, wurde es gerade dunkel, also war es dann gegen acht. Zweieinhalb, drei Stunden vielleicht.
    Theoretisch könnte ich also auch in Kroatien sein. Oder Slowenien. Oder Österreich. So genau hab ich die Landkarte nicht vor Augen, aber das sind dieLänder, die an Ungarn grenzen. Und die vom Plattensee aus in zwei, drei Stunden erreichbar sind. Glaube ich jedenfalls.
    Oder was liegt da noch?
    Die Slowakei. Und Rumänien, rechts. Aber ich glaube, das ist zu weit von Siofók entfernt.
    Es sei denn … ein Schauer läuft mir über den Rücken: Es sei denn, ich war nicht nur zwei, drei Stunden bewusstlos, sondern einen ganzen Tag lang.
    Ich schüttele mich. Nein, das will ich mir auch gar nicht vorstellen.
    Wahrscheinlich bin ich in Serbien.
    Dem Heimatland meines Vaters.
    Aber, und damit komme ich zu Frage 2:
    Wozu?
    Mögliche Antworten:
    A. Mädchenhandel. Aber warum dann ein deutsches Mädchen? Kommt mir unwahrscheinlich vor.
    B. Politische Motive. Welche sollten das sein?
    C. Private Motive: Sie wollen mich als Sexsklavin halten. Aber machen so was nicht eher Einzelpersonen? Oder eventuell auch zwei Typen? Aber nicht gleich eine ganze Gruppe?
    Ich klammere mich sehr lange an der Frage fest. Dann notiere ich die letzte Möglichkeit, die mir einfällt:
    D. Erpressung. Vielleicht wollen sie Lösegeld. Aber wir sind überhaupt nicht reich. Kein Stück. Mama hatte wirklich Mühe, das Geld für meine Klassenreise zusammenzukriegen. Sie ist alleinerziehend, und wir bekommen keine Unterstützung, von niemandem. Von Tata und seiner Familie sowieso nicht, die sind ja bettelarm. Und mit Mamas Familie haben wir keinen Kontakt. Schon seit tausend Jahren nicht.
    Ich lege das Notizbuch hin. Irgendwie komme ich keinen Schritt weiter. Weder mit Frage 1 oder 2 noch mit den anderen Fragen.
    Ich könnte jetzt ewig spekulieren und herumrätseln. Aber es bringt mich nicht weiter. Ich muss die Lösung anders herausfinden.
    Der Junge.
    Ich muss den Jungen fragen.
    Als es draußen dämmert, bringt mir die alte Frau mein Abendessen: Weißbrot, dazu eine Art Knoblauchwurst, Salat.
    Ich zeige auf die Wurst und schüttele den Kopf. Sie sieht mich leicht gekränkt an und sagt einige Sätze zu dem Typen mit der Narbe, der wie immer in der Tür steht und aufpasst, dann nimmt sie den Teller mit der Wurst wieder hoch.
    » Ne? «, sagt sie. » Ne? «
    »Nee«, antworte ich. » No meat, please. «
    Hilfe suchend sieht sie den Typen an, der ein paar Worte zu ihr sagt, dann schlurft sie langsam hinaus.
    Komisch, plötzlich tut sie mir fast leid. Absurd. Warum tut mir meine eigene Wärterin leid?
    Als sie draußen ist, stochere ich lustlos im Salat herum, dann schiebe ich ihn zur Seite. Ich kann nichts essen. Ich will nach Hause. Einfach nur nach Hause.
    Draußen wird es langsam dunkel. Einen ganzen Tag lang bin ich jetzt hier schon gefangen. 24 Stunden.
    Ein Tag. Ein Tag von wie vielen?
    Als es ganz dunkel geworden ist und langsam ein wenig kühlere Luft durch die Holzritzen hereinströmt, klopfe ich an die Tür. Mein Herz hämmert, aber nach ein paar Augenblicken höre ich Schritte. Doch es ist nicht der Junge, sondern der Typ mit der Narbe, der mir öffnet und mich ins Bad hinübergehen lässt.
    Als ich fertig bin, bleibe ich noch eine ganze Weile auf der Klobrille sitzen.
    Wenn ich nur eine Uhr hätte.
    Wenn ich nur …
    Wenn

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