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Schattenblicke - Thriller

Schattenblicke - Thriller

Titel: Schattenblicke - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen-Susan Fessel
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passiert nichts!«
    Ist mir doch schon! , denke ich. Aber sagen kann ich nichts. Ich kann ihn nur anstarren.
    Endlich! Endlich jemand, der Deutsch spricht. Mit dem ich reden kann.
    Der mir vielleicht auch endlich erzählt, was hier eigentlich los ist.
    Ich kann immer noch nichts sagen. Er steht direkt vor mir. Und doch habe ich das Gefühl, dass er gar nicht wirklich da ist. Sondern nur in meiner Fantasie. Dass er Einbildung ist. Ein Scherenschnitt. Jedenfalls nicht wirklich.
    Aber da steht er. Vor mir. Und sieht verdammt traurig aus. Oder liegt das nur an seinen Augen? »Dir passiert nichts!«, wiederholt er und versucht erneut ein Lächeln.
    Mir brummt wieder der Schädel. Oder besser: Er summt. Summ, summ, summ. Ein Fliegenschwarm in meinem Kopf.
    Oder ein Mückenschwarm.
    Üble Vorstellung.
    »Ich hab Kopfweh«, sage ich, und er nickt.
    »Komm, setz dich mal hin.« Er tritt einen Schritt zurück und verschränkt die Arme vor der Brust.
    Abwartend.
    Ich weiß nicht … ich weiß nicht, auf was er wartet. Und wieso überhaupt. Ob ich ihm trauen kann.
    Klar, er redet Deutsch, aber das ist auch schon alles.
    Ich zögere. Er schweigt und steht immer noch da, mit verschränkten Armen. Plötzlich bin ich unglaublich erschöpft. Als hätte ich ewig lang Kisten geschleppt oder so.
    Und mein Gehirn fühlt sich schon wieder an wie in Watte gepackt. Langsam gehe ich zur Liege hinüber und setze mich hin. Der Junge sieht mich vorsichtig an, dann zieht er den Stuhl zu sich hinüber und setzt sich mir gegenüber. »Besser?«, fragt er.
    Ich zucke mit den Schultern. Er öffnet die Wasserflasche, die auf dem Tisch steht  – sie ist neu und noch verschlossen, wo kommt die denn auf einmal her? –, und reicht sie mir. Ich trinke ein paar Schlucke und tatsächlich geht es mir gleich ein wenig besser. Er nimmt mir die Flasche wieder ab und schraubt sie zu, und fast berühren sich unsere Fingerspitzen dabei. Merkwürdig. Alles hier ist merkwürdig.
    Langsam habe ich das Gefühl durchzudrehen. Aber das darf ich nicht. Nicht jetzt. Jetzt brauche ich einen klaren Kopf.
    »Wo bin ich hier?«, frage ich. »Und was soll das alles? Bin ich entführt worden oder was?«
    Er weicht meinem Blick aus, sieht zu Boden. Ist das ein Nicken?
    Eine kalte Welle der Angst durchflutet mich.
    »Und warum?«
    Er weicht meinem Blick immer noch aus. »Tut mir leid«, sagt er. Mehr nicht.
    Sein Deutsch klingt schwer, erst jetzt fällt mir auf, dass er einen schwachen Akzent hat. Irgendwie weich und schwer zugleich. Und das R rollt er ein bisschen zu sehr.
    Auch das kommt mir bekannt vor.
    »Wo bin ich?«, frage ich. Aber eigentlich brauche ich das gar nicht zu fragen. Eigentlich weiß ich es ja längst. Das heißt, nein, ich weiß nicht genau, wo ich bin. Ich vermute es nur. Aber ich weiß, woher die Leute kommen, die mich entführt haben.
    Er antwortet nicht.
    »Warum?«, frage ich wieder.
    Aber er schweigt, die Augen gesenkt.
    Was für lange Wimpern er hat! Dunkle, lange Wimpern. Hab ich noch nie gesehen bei einem Jungen.
    Von draußen kommen Geräusche. Ein Brummen. Ein Fauchen. Eine Katze? Und eine Männerstimme, die etwas ruft. Jemand antwortet, von weiter entfernt.
    Der Junge sitzt mir gegenüber, mit verschränkten Händen. Er sieht immer noch traurig aus. Seine Locken müssten mal geschnitten werden, sie hängen ihm in die Stirn und über die Ohren. Er trägt einT-Shirt, ein weinrotes T-Shirt, dunkle Jeans und Adidas-Turnschuhe, aus denen weinrote Socken hervorlugen. Und noch etwas trägt er: ein schmales, geflochtenes Lederband um den Hals.
    Keine Armbanduhr, stelle ich fest. Genau wie ich.
    »Hast du da mitgemacht?«, frage ich.
    Er sieht aus, als hätte ich ihm eine Ohrfeige gegeben. Total schockiert. Im nächsten Moment springt er auf und geht zur Tür. Sein Gesicht ist verschlossen, seine Lippen sind fest zusammengekniffen, als er mich ansieht.
    Nein! Er soll nicht gehen! Er soll mich nicht wieder hier allein lassen!
    Ich springe ebenfalls auf. »Warte!«, rufe ich. »Bitte!«
    Meine Stimme hallt zwischen den Wänden wider.
    Ich sehe, dass er zögert. Seine Hand liegt auf der Türklinke.
    »Bitte, warte!«, sage ich leise. »Bitte. Ich will … Nur noch einen Moment. Bitte!«
    Er sieht auf seine Hand hinunter, dann nimmt er sie langsam wieder von der Klinke und kommt zu mir zurück. Aber diesmal zieht er den Stuhl ein wenig weiter nach hinten, bevor er sich setzt.
    Abstand halten.
    Wie eine Warnung.
    Stumm sitzen wir uns gegenüber, dann seufzt

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