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Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Titel: Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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Norrocks schwielige Hand rechts von mir. Auf einmal spüre ich ein Kribbeln in den Händen. Wie ein schwacher Strom, der durch die Leiber der Wölfe, durch meine Arme, durch mich fließt. Denn jetzt, ganz leise erst, beginnen sie zu heulen. Werfen ihre Köpfe zurück, schicken ihren Atem, ihre langen Töne in die Abenddämmerung, dem Mond entgegen. Das Kribbeln wird stärker. Ich weiß, was Norrock meint. Glaube, es zu wissen. Das ist es, was man nicht erklären kann. Das große Geheimnis der Wölfe. Das, was einem Kraft gibt für alles, was kommt. Ich will mitheulen, hole Luft und schließe die Augen.
    Da packen mich zwei Arme von hinten und reißen mich aus dem Kreis.
    «Nein!», schreit Thursen. Ich will ihn nicht hören. Ich will die Verbindung nicht brechen. Strampele mit den Beinen,kämpfe, winde mich in Thursens Griff, während er mich unerbittlich rückwärtszerrt. Ich will nicht aus dem Kreis der Wölfe gerissen werden. Will das Vergessen teilen, das sie versprechen. «Lass mich zurück! Warum quälst du mich?», schreie ich, ohne mich umzusehen.
    Thursen beachtet das gar nicht. Lässt mich ins Laub fallen wie ein lästiges Spielzeug. Dann geht er auf Norrock los. Beugt sich über ihn und spricht ganz leise, noch rauer als sonst. «Warum hast du das getan?»
    Noch nie habe ich Thursen so gesehen. So voller kalter Wut, bereit, jeden Moment loszuschlagen. Seine Zähne zusammengebissen, die Fäuste geballt, bohrt er seinen Blick in Norrocks. Von hier sieht es fast aus, als würde der Ärger giftgelb aus seinen Augen blitzen.
    Norrock zuckt zurück. So gelassen, wie er tut, ist er nicht. Dann steht er auf und klopft sich die Blätter von seinen schwarzen Jeans. «Was willst du?», fragt er, zuckt die Schultern. «Sie wollte es.» Norrock dreht sich weg, will zurück zu den Wölfen.
    Thursen packt Norrock an der Schulter, reißt ihn herum, dass er ihm ins Gesicht sehen muss. «Was wollte sie? Mitmachen im Wolfskreis? Sie hat doch keine Ahnung, worauf sie sich einlässt!»
    Diesmal sieht Norrock nicht weg. «Warum hast du es ihr nicht gesagt? Zu feige? Angst, dass sie mitkriegt, was Thursen und seine Wolfsfreunde im Wald wirklich machen?»
    «Ich wette, du hast ihr auch nicht alles gesagt, oder? Was mit einem passiert im Wolfskreis im Mondlicht», flüstert Thursen. «Nichts von dem Preis!»
    «Ach ja, der Preis! Der Preis für das Vergessen.» Norrock schnaubt verächtlich. «Lass mich überlegen: Kann essein, dass du selbst bereit bist, ihn zu zahlen? Und dass es dir damals, als ich zu euch kam, egal war, ob ich ihn zahlen muss? Warum jetzt nicht sie?»
    «Hör gut zu, Norrock: Du hast dich geirrt. Sie ist nicht wie wir. Für sie gibt es einen anderen Weg. Und darum wird sie auch nie unseren Preis zahlen. Hast du mich verstanden?»
    Thursen wartet die Antwort nicht ab, dreht Norrock den Rücken zu. Dann kommt er mit schnellen Schritten zu mir, beugt sich vor, nimmt meine Hand und zieht mich mit einer schnellen Bewegung auf die Füße. «Es ist spät, Luisa. Ich bringe dich zurück zum Waldweg.» Im Umdrehen sehe ich die Wölfe im Kreis sitzen. Der Kreis ist geschlossen. Nur Wölfe. Norrock kann ich nirgends erkennen.
    Hastig zieht Thursen mich mit sich durch den Wald. Erst unter unserer Laterne bleibt er stehen. Ich höre die Wölfe heulen. Ganz leise, von ferne. Denke voll Sehnsucht an das gute Gefühl, das Kribbeln, die Kraft, die mich durchströmt hat, als ich bei ihnen war. Und dann sehe ich, wie Thursen die Augen schließt, glaube, nur eine Sekunde lang, zu fühlen, wie seine Hand in meiner bebt. Auch er hört seine Wölfe. Wie oft war er schon im Kreis?
    Dann lässt er mich los. «Du solltest besser gehen!» Er meint, was er sagt. Ich sehe es in seinen Augen. «Komm nicht wieder. Ich habe mich geirrt. Es ist zu gefährlich.»
    Nein, nicht noch einmal. «Das hatten wir doch schon. Bisher ist mir auch nichts passiert.»
    «Da ist eine Gefahr, an die ich nicht gedacht habe.»
    «Was soll das? Willst du mich loswerden? Hast du genug von mir?»
    Er greift nach meiner Hand, zieht mich zu sich. Sieht mir in die Augen, lächelt fast. «Natürlich nicht. Ich will nur nicht – ach, vergiss es. Halt dich einfach fern von uns.»
    Ich mache mich los. Meine Hände werden Fäuste. «Was genau willst du mir damit sagen?»
    Er hebt seine Hände und lässt sie wieder fallen. «Ich will nicht, dass du dich in Gefahr bringst, nur weil du jemanden wie mich sehen willst. Du bist so nett, so schlau, so hübsch. Such dir wen

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