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Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Titel: Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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folgt ihnen mit Abstand. Sein linker Hinterfuß, den er etwas nachzieht, verrät mir, dass es Krestor ist. Er schnuppert, dann setzt er sich neben Fath und Jerro. Rawuhn bleibt zwischen den Kieferstämmen auf Abstand. Vielleicht hat er den Streit mit Norrock noch nicht vergessen.
    «Tut mir leid», sage ich, «ich kann keinen Skat.»
    Norrock stöhnt. «Mau-Mau?», fragt er.
    «Ja, klar.» Mau-Mau wollte immer mein Bruder spielen.
    Sjöll ist fertig, und Norrock nimmt den kleineren Stapel, mischt und verteilt die Karten. Es wird dunkler. In letzter Zeit kommt die Nacht jeden Tag ein bisschen früher. Sjöll steckt die anderen Karten ein, holt ein verkratztes Schraubglas, in dem zwischen lauter Wachs eine Kerze klebt, und stellt es zwischen uns. Norrock sortiert schon seinen Stapel in der Hand, als Sjöll die Kerze mit ihrem Feuerzeug anzündet.
    «Autsch!», flucht sie. Hat sich an der Flamme den Finger verbrannt.
    «Lass mal sehen», sage ich.
    «Nein, ist schon gut.» Im Kerzenlicht ist ihre Fingerspitze ganz rot. Wie ein kleines Kind steckt Sjöll sie in den Mund, um den Schmerz zu lindern.
    «Das gibt bestimmt eine Brandblase», sage ich, diesmal will ich sie trösten.
    «Glaub ich nicht!», sagt Norrock und grinst mich an. «Nicht bei Sjöll.»
    «Wieso soll das denn wohl gerade bei Sjöll   …»
    «Halt endlich den Mund!», faucht Sjöll Norrock an und nimmt ihre Karten auf.
    Dann spielen wir. Die Karten sehen komisch aus. Sjöll erklärt mir, dass sie ein Teil ihrer Tarotkarten sind. Statt Pik, Herz, Karo und Kreuz gibt es Schellen, Stäbe, Glocken und Münzen. Die Bilder sind ungewohnt, aber man kann mit diesen Karten genauso spielen wie mit meinem Kartenspiel zu Hause.
    Als wir die ersten Karten ablegen, steht Rawuhn auf und kommt zögernd herüber. Gerade Rawuhn. Er war mir nicht geheuer, seit er seine Nase in mein Gesicht gedrücktund mich damit zu Tode erschreckt hat. Jetzt, nachdem ich gesehen habe, wie stark seine Zähne sind, habe ich schlicht Angst vor ihm. Und Thursen ist nicht da, um mich zu beschützen.
    Sjöll bekommt aus den Augenwinkeln mit, wie ich erstarre. «Ich glaube nicht, dass er dir was tut», sagt sie, ohne von den Karten aufzusehen, die sie in ihrer Hand sortiert. Rawuhn schleicht sich hinter mich. Die Karten zittern in meiner Hand. Ich höre Rawuhns Atem in meinem Rücken und seine Pfoten leise knisternd im Laub. Sie sind so leise, die Wölfe.
    «Und wenn doch?», sagt Norrock. Rawuhn knurrt drohend. Erschrocken fahre ich herum. Er hat den Kopf gesenkt, streckt die Schnauze vor, die Zähne entblößt. Aber er sieht Norrock an, nicht mich. Dann lässt sich der hellgraue Wolf zu Boden sinken, so nah, dass er meinen Rücken berührt. Er legt den Kopf auf die Pfoten und schließt die Augen. Langsam entspanne ich mich, merke, wie meine vor Angst hochgezogenen Schultern heruntersinken. Rawuhn sieht, wie er so daliegt, wie ein zufriedener Hund aus, nicht mehr bedrohlich. Und sein Fell wärmt mich ein wenig, solange Thursen nicht da ist.
    Trotzdem bin ich nicht recht bei der Sache und verliere das Spiel. Sehe Fabians Gesicht vor mir, wie er laut ruft: «Mau-Mau!», und durchs Haus, durch den Garten tanzt, nachdem er seine letzte Karte abgeworfen hat. Fabian gewinnt, und ich verliere. Nochmal und nochmal. Fabi hätte es bestimmt toll gefunden, im Licht eines selbstgebastelten Windlichts im Wald zu sitzen und mit Tarotkarten Mau-Mau zu spielen. Mitten in einer Schar wilder Wölfe. Er hätte das für ein Abenteuer gehalten. Ich nicht. Ich spiele nur mechanisch meine Karten aus. Zeit totschlagen, bisThursen kommt. Ich wünschte, Fabi könnte jetzt hier sein, bei mir sein und Faxen machen. Und wieder steigt dieses Gefühl meine Kehle hoch. Ich schlucke, damit die anderen nicht merken, dass ich am liebsten schon wieder weinen würde. Norrock schmunzelt vor sich hin. Da schiebt Sjöll Lurnak, der seinen Kopf auf ihrem Schoß hatte, ruppig beiseite und springt auf: «Jetzt reicht es, Norrock», faucht sie. «Stäbe, nicht Schellen! Du schummelst, das ist nicht zum Aushalten. Her mit den Karten, sofort!»
    «Ach, komm!», mault Norrock, bleibt neben mir sitzen und will sie nicht in sein Blatt gucken lassen. Er hat schon wieder viel weniger in der Hand als ich.
    «Ich meine das ernst. Luisa ist alle, und du ziehst sie über den Tisch. Gib her, los!»
    Norrock schiebt seine Karten zusammen, nimmt mir auch meine aus der Hand. Gelangweilt steht er auf, ein Bein nach dem andern, legt Sjöll den linken

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