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Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Titel: Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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anders, aber nicht mich. Nicht jemand, der so lebt.»
    «Verdammt, es ist mir egal, wie du lebst!»
    «Aber mir ist es nicht egal. Nochmal, Luisa: Bleib weg von uns.»
    «Du schickst mich wirklich weg? Wegen der blöden Sache mit dem Wolfskreis? Oder ist da noch was anderes?»
    «Versteh doch, Luisa!»
    «Nein. Ich verstehe nicht. Heute ist kein Tag, an dem man mit dir reden kann. Ich gehe wohl wirklich besser.»
    Genug. Genug davon, weggeschickt zu werden, einfach so. Auf einmal soll da wieder eine neue Gefahr sein. Welche Gefahr denn jetzt? Dass der Waldboden mich verschluckt? Mir ein Baum auf den Kopf fällt? Ich könnte genauso gut tausendmal auf der Straße überfahren werden, wenn ich dem Wald fernbleibe!
    Ich sehe mich noch einmal um, aber er kommt mir nicht nach, hält mich nicht zurück. Diesmal nicht.
    Gut, dann sehe ich Thursen eben nicht wieder. Nein, ich werde ihn nicht vermissen. Ich hasse Thursen. Hass ist gut. Hass ist mein Schutzschild. Hass drückt den Schmerz ab. Wie Eis auf einem frischen Bluterguss.
    Auf dem Heimweg kommen die Tränen. Laufen mirüber die Wangen, waschen die Wut weg, und ich bin ganz leer. Bis ich zu Hause bin, in meinem Zimmer einschlafe, spreche ich kein Wort mehr, mit niemandem. Was hätte ich auch anderen zu sagen, wo meine Worte nicht einmal ihn erreichen?
     
    Morgengrauen. Der Himmel hat die Farbe von Thursens Haaren. Regen klatscht gegen die Fensterscheiben in meinem Zimmer. Mein Wecker piept mit elektronischer Hysterie, aber mich kann er nicht meinen. Ich stehe nicht auf. Heute nicht und vielleicht nie mehr. Thursen hat mich weggeschickt. Was soll ich da mit einem neuen Tag? Noch einem? Ich lebe doch schon so viele Tage seit Fabians Tod. Ich bin krank, sage ich meinen Eltern, als sie zum Frühstück rufen. Sie fragen nicht, was mir fehlt. Wann eigentlich haben sie aufgehört, Fragen zu stellen? Sie kommen an meine Zimmertür, sehen mich mitleidig an, seufzen und entschuldigen mich mit einem kurzen Anruf in der Schule. Sie sehen genauso kaputt aus wie ich. Wie schaffen sie es, jeden Tag zur Arbeit zu gehen?
    Ich bleibe hier. Ziehe die Bettdecke über den Kopf wie einen Panzer. Versuche, nicht zu erwachen, nicht zu träumen, nicht zu fühlen. Die Wohnung ist leer, noch leerer als sonst. Thursen hat mich weggeschickt. Keine Geräusche hier außer dem Rauschen des Regens vorm Fenster und meinem eigenen Atem. Nur über mir glaube ich das leise Patt-Patt des Gehstocks der alten Frau zu hören, die sich mühsam in die Küche schiebt. Bestimmt hat sie Hunger. Ich habe keinen. Versuche meinen Kummer herunterzuschlucken, damit meinen leeren Magen zu füllen. Er wehrt sich grollend.
    Ich schiebe meinen Kopf unter der Decke hervor. Nur,weil ich muss, atmen muss. Ich will nicht fernsehen. Ich will kein Buch lesen. An der Wand entstehen Muster, wenn ich die Tapete anstarre. Ich will auch keine Muster. Ich schließe die Augen.
    Was war es, das Thursen mir nicht zeigen wollte? Warum darf ich Norrocks Weg nicht zu Ende gehen? Warum schickt Thursen mich weg?
    Ich nicke ein, bis plötzlich im Wohnzimmer das Telefon klingelt. Penetrant. Dabei ruft hier in der neuen Wohnung fast nie jemand an. Zweites Klingeln. Und wenn, dann ist es für meine Eltern. Gas, Müllabfuhr, Telefongesellschaft. Drittes Klingeln. Meine Eltern! Für den Augenblick, den das Gespräch dauert, schaffen sie es meistens tatsächlich, den Anschein zu erwecken, wir wären normal. Viertes Klingeln. Sie lächeln, sprechen freundlich, scherzen. Ich will das nicht. Ich kann das nicht. Ich bleibe einfach liegen. Fünftes Klingeln. Soll doch der Anrufbeantworter rangehen.
    Sechstes Klingeln. Klick, die Ansage meiner Mutter läuft ab. Und dann höre ich eine Stimme, dumpf und leise durch die geschlossene Tür. «Luisa?»
    Thursen! Mein Herz hämmert einen Schlag lauter. Genau einen. So lange dauert es, bis ich aus dem Bett, durch die Tür, im Wohnzimmer bin und den Telefonhörer ans Ohr drücke. So lange dauert es, bis mir einfällt, dass Thursen meine Nummer gar nicht weiß.
    «Ja?», frage ich. Hasse den Fremden, der mich da auf die falsche Spur gelockt hat.
    «Luisa?» Natürlich. Die Stimme des Anrufers ist nicht Thursens. Sie ist ganz anders, hell und glatt gebügelt.
    «Hi, hier ist Edgar!» Ich kann fast sein Lächeln im Telefon knistern hören.
    Hi, hier ist der Weihnachtsmann. Ich kenne keinen Edgar. «Wer bist du? Woher hast du meine Nummer?»
    «Edgar! Aus deiner Klasse! Deine Nummer steht auf der

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