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Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Titel: Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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versichert Thursen. «Wir wissen, wer der Jäger ist. Kennen seinen Namen und sein bulliges grünes Auto. Bevor wir jagen, checken wir alle Parkplätze ab.»
    «Wie wollt ihr das denn machen? Das dauert doch die halbe Nacht.»
    «Auf vier Pfoten ist man schnell.» Er nimmt meine Hände. «Wir gehen nur, wenn alle Parkplätze leer sind. Versprochen.»
    «Mein Gott, Thursen!»
    «Bitte, Luisa!», flüstert er. «Bitte, bitte hab keine Angst mehr. Wir kommen alle heil zurück, ich verspreche es dir.»
    «Ach, Thursen.» Ich umarme ihn. Schiebe meine Hände unter seinen Mantel und lege den Kopf an seine Schulter. Ich wünschte, ich wäre weit fort mit ihm. Nur wir beide, ohne Sorgen. Er hält mich fest, sein Mantel birgt uns beide. Er beugt sich über mich und atmet einen Rest Sommerwärme in mein Haar.
    Wir küssen uns tausend Jahre, erst ganz sanft, dann immer heftiger, bis alles nach ihm schmeckt und meine Seele ganz von ihm erfüllt ist.
    Und dann geht er. Der schwarze Wolf leitet sein Rudel zur Jagd.
     
    Ich bleibe in der Höhle zurück, zitternd vor Angst, als sie sich aufmachen in die Dunkelheit. Neben mir sitzt Gabriella und schluchzt leise vor sich hin. Norrock hat irgendwoher eine alte karierte Decke besorgt. «Falls euch kalt wird», hat er gesagt. Die Werwölfe haben sie imHavelwasser gewaschen, in der Sonne getrocknet, und jetzt können Gabriella und ich uns darunterkuscheln.
    «Sagst du mir deinen Namen?», versuche ich es noch einmal, als wir aneinanderrutschen und ich die Decke über uns breite. Ein letztes Mal. Ich schwöre es mir.
    «Wozu?», fragt sie und zuckt die Achseln.
    «Damit ich ihn für dich aufbewahre, wenn du ihn vergessen hast!», sage ich. Sage es gar nicht so leise. Trotzdem weiß ich, dass ich sie nicht erreiche.
    Sie schläft noch vor mir ein. Plötzlich weckt mich ein entsetzliches Geräusch. Grausam und eiskalt überflutet es mich. Ein Schrei, unendlich weit davon entfernt, menschlich zu sein. Ihre Verzweiflung, die sie tagsüber so gut versteckt, bricht jetzt im Schlaf aus ihr heraus. Ruft meine eigene Verzweiflung wieder wach. Und so kommt das Grauen in die Wolfshöhle. Ich drehe mich zu ihr. Will sie halten, aus ihrer Traumwelt zurückholen, die so grässlich ist. Schüttle sie. Zerre sie aus der Höhle ins Mondlicht. Hinaus in die Nachtkälte. Sie reißt die Augen auf. Sieht durch mich hindurch. Schlägt mit ihren Fäusten auf mich ein. Kratzt mich. Ich versuche, ihre Hände festzuhalten. Kann sie kaum bändigen. Woher nimmt sie diese Kraft? Und sie schreit immer noch. Schreit, dass es gellt in meinen Ohren. Schreit noch, als endlich Norrock kommt.
    Nur Norrock.
    Allein.
    «Thursen?», flüstere ich. «Wo ist Thursen?»
    «Kommt gleich nach», sagt er, während er Gabriella festhält.
    Ihre Schreie werden leiser. Wimmernd klammert sie sich an ihn. Er hält sie, bis sie sich gemeinsam verwandeln. Gabriella holt tief Luft. Sie schreit nicht mehr, sondernseufzt leise. Gemeinsam gehen sie zurück in die Höhle. Ich folge ihnen. Norrock stupst sie mit der Schnauze an. Tiere unter sich. Sie rollt sich zusammen, ein Zittern läuft über ihr Fell, dann ist sie eingeschlafen. Norrock sitzt etwas abseits und wacht über ihren Schlaf. Er würde auch über meinen wachen, wenn ich schlafen könnte.
    Ich bin noch wach, sitze immer noch zitternd unter der Decke, als Thursen endlich von der Jagd zurückkommt. Er ist zurück. Niemandem ist etwas passiert. Ich versuche, ruhiger zu atmen. Im Höhleneingang wird er Mensch. «Draußen ist Futter», sagt er zu Norrock.
    Norrock streckt sich und verwandelt sich. «Bei ihr ist es noch schlimmer als damals bei Sjöll», sagt er zu Thursen und nickt kurz in die Richtung der kleinen Wölfin, die Gabriella war.
    «Gut, dass du sie gefunden hast», sagt Thursen und klopft Norrock auf die Schulter.
    «Wie du mich damals», antwortet der, als er die Höhle verlässt.
    Thursen kommt zu mir. Leise, um Gabriella nicht zu wecken, setzt er sich zu mir und legt den Arm um mich. Siehst du, alles in Ordnung, sagt sein Blick. Ein Mondstrahl fällt durch den Höhleneingang, und ich sehe ihm ins Gesicht. Bevor ich ihn küsse, wische ich ihm die Blutspur aus dem Mundwinkel. Schmecke Jagdglück auf seinen Lippen. Ein bisschen salzig. Nicht so schlimm, wie ich dachte. So ist er, mein Werwolf. Das gehört zu ihm. Und doch wünschte ich verzweifelt wie nie, er bliebe für immer Mensch. Nie wieder müsste ich solche Angst um ihn haben. Wünsche es immer noch, als ich meine

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