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Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Titel: Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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und mir herüber. Sie bleibt sitzen, droht ihm aber mit einer wilden Handbewegung.
    «Pass mal auf, Luisa», sagt Norrock, als er bei uns ankommt. «Das wird dir nicht gefallen, um was ich dich jetzt bitte.»
    «Was denn?», frage ich und gebe Thursen Sjölls Bilder zurück, der sie wieder in die Plastiktüte wickelt.
    Norrock fährt sich mit seinen Fingern durchs Haar. «Wir müssen gleich auf die Jagd.»
    Ich schüttle den Kopf. «Nein!» Von Jagd will ich nichts hören.
    «He! Hör doch erst mal zu!» Norrock schubst ein Holzstück mit der Stiefelspitze an. «Wir wissen nicht, was wir so lange mit Gabriella machen sollen. Allein sein, das packt sie noch nicht.»
    Ich bohre meine Hände in die Jackentaschen. «Dann muss wohl einer von euch bei ihr bleiben.»
    Norrock schüttelt den Kopf. «Das geht nicht.»
    «Lasst sie doch Wolf sein. Dann kann sie mit.»
    Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Gabriella aufsteht. Wütend die Fäuste in die Jackentasche rammt, wie ich eben. «Norrock!», ruft sie und kommt zu uns.
    Norrock dreht sich zu ihr hin. «Thursen, klär du das», sagt er über die Schulter. «Ich muss zu Gabriella zurück.»
    «Das mit dem Verwandeln schafft sie noch nicht», erklärt mir Thursen.
    «Ich denke, sie hat das letzte Nacht schon gemacht.»
    «Einmal, ganz kurz. Das reicht nicht für eine Jagd.» Er ist die paar Schritte von dem hohlen Baum zurück, in den er Sjölls Paket gelegt hat.
    Ich zucke die Schultern. Denke daran, wie Norrock mich damals verwandeln wollte. «Macht doch den Kreis mit ihr!»
    Er sieht mich einen Moment lang an. Überlegt. «Gut!», sagt er dann. «Aber du bist dabei!»
    Ich nicke. Nur noch der Kreis. Dann bin ich weg.
     
    Im Herbst kommt die Nacht schnell. Der Mond hat die Sonne abgelöst, und Thursen in seinem langen schwarzen Mantel ist wieder der stolze Rudelführer, der, den Kopf mit den krähengrauen Haaren zurückgeworfen, mit seinem Heulen seine Werwolfsbrüder in den Kreis ruft. Und die Wölfe antworten, ringsumher aus den Tiefen des Waldes höre ich ihre heiseren Stimmen, bis sie aus dem Gebüsch hervorbrechen und sich um ihn versammeln.
    Graue Schatten sind sie gegen den Nachthimmel. Jerro und Rawuhn, Lurnak, Fath, Krestor. Einer nach dem anderen nimmt seinen Platz ein. Wartet. Mir gegenüber hockt sich Norrock hin und zieht Gabriella neben sich. Nimmt ihre Hand in seine. Die andere Hand legt sie Jerro auf den Rückenpelz. Norrock nickt mir zu, damit ich mich neben Rawuhn setze. Als Letzter tritt Thursen in die Lücke, die wir ihm gelassen haben, und kniet sich hin. Ich sitze neben ihm, und er nimmt meine Hand. Er sieht müde aus. So lange Mensch zu sein strengt ihn jetzt mehr an, als stundenlang durch den Wald zu laufen. Auf sein Zeichenhin beginnen die Wölfe zu heulen. Die Luft vibriert vor Tönen. Alle sind eins. Die Verwandlung beginnt. Norrock wirft seine Wolfsgestalt über. Gabriella flirrt vor meinen Augen, dann sitzt sie da und schüttelt ihr Wolfsfell. Thursen drückt noch einmal meine Hand, dann ist auch er ein Tier. Um den Kreis nicht zu zerbrechen, grabe ich meine Hand tief in sein Nackenfell.
    Nur ich bleibe als Mensch zurück. Knie in den Blättern und schließe die Augen. Fühle die Kraft in meinen Händen pulsieren, in meinen Armen. Atme tief und lasse sie durch mich strömen mit jedem Atemzug. Durch mich hindurch, von Rawuhn weiter zu Thursen, sodass nichts davon in mir zurückbleibt, das mich verwandeln könnte. Und ich bleibe ich.
     
    Dann, langsam, verstummen sie, und als ich die Augen wieder öffne, sehe ich, wie Gabriella kämpft, aber ihre Wolfsgestalt hält nicht. Halt suchend greift sie, noch schwarz umschattet, nach Norrocks Fell. Dann ist es vorbei, und sie ist wieder das kleine verängstigte Mädchen in der zu großen blaugrauen Jacke. Die Wolfsblässe beginnt nach ihrem Gesicht zu greifen. Tränen laufen über ihre Wangen.
    Norrock kommt aus der Wolfsgestalt zurück, legt tröstend den Arm um sie und führt sie weg aus dem Kreis. Ich sitze noch immer benommen da, als Thursen sich ebenfalls zurückverwandelt. «Du hast es gesehen», sagt er leise. «Es geht nicht. Sie kann nicht als Wolf jagen.» Er legt seine Hand auf meinen Arm. «Bitte, lass Gabriella heute nicht allein, Luisa.»
    Wütend schüttle ich seine Hand ab. «Ich soll bei Gabriella bleiben? Und ihr jagt und lasst euch totschießen?Soll ich vielleicht auch ihre Hand halten, wenn du ihr von Norrocks Tod erzählst? Oder er uns von deinem?»
    «Nichts wird passieren»,

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