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Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Titel: Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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Den braunen Wollmantel hat sie bis oben zugeknöpft. «Was ist denn passiert?», frage ich.
    «Zwei Jungs haben mir die Handtasche gestohlen!», sagt sie. Guckt auf ihre leeren Hände, als könnte sie es noch gar nicht glauben. «Eben gerade, einfach weggerissen haben sie sie mir!»
    Ich dirigiere die Frau zur nächsten Bank. «Am besten, Sie beruhigen sich erst mal», sage ich. Was für ein dummer Spruch. Ich würde mich an ihrer Stelle auch nicht beruhigen.
    Die Frau streicht ihren Mantel glatt, bevor sie sich setzt.
    «Was soll ich denn bloß machen?»
    «Wir warten jetzt auf …» Was ist Elias? Mein Freund? Bekannter? «Also, auf Elias, und dann gehen Sie zur Polizei und erstatten Anzeige.»
    «In meiner Tasche sind meine Schlüssel und mein Ausweis mit meiner Adresse! Wenn ich nach Hause komme, stehen die Diebe vielleicht schon in meiner Wohnung!»
    «Tun sie nicht!», höre ich Elias’ warme Stimme hinter uns. Er umrundet die Bank und gibt der Frau ihre Tasche zurück.
    «Mein Gott, wie soll ich Ihnen bloß danken!», sagt sie. «Sie sind ja ein –»
    «Ist schon gut», unterbricht Elias sie. «Mein Wagen steht auf der Busspur. Ich muss weiter, sonst werde ich abgeschleppt. Machen Sie es gut. Kommst du, Luisa?»
    Ich folge ihm zurück zum Auto. «Bist du den Dieben etwa nachgerannt?», frage ich. Das kann nicht sein. Sie müssen einen großen Vorsprung gehabt haben, und er ist kaum außer Atem.
    «Ja. Ich wollte dich nicht erschrecken», sagt Elias und startet den Motor. «Aber ich habe im Rückspiegel gesehen, wie die Jungs ihr die Tasche aus der Hand gerissen haben und weggerannt sind. Ich dachte, ich erwische sie vielleicht noch. Immerhin wusste ich, wie sie aussehen.»
    «Du bist wirklich schnell.»
    «Meinst du? Vielleicht waren die Jungs ja auch langsam.»
    «Na klar. Die klauen einer Frau die Handtasche und bummeln dann gemütlich durch die Straßen.»
    Ich sehe aus dem Fenster. Je weiter wir Richtung Wittenbergplatz fahren, desto schicker werden die Läden. Geschwungene Schriftzeichen an Marmor- und Stuckfassaden machen auf exklusive Geschäfte aufmerksam. Neben einem dieser Läden, «Malaikas» steht auf den grünen Schildern in den Bogenfenstern, hält Elias in der Einfahrt.
    «Hier kannst du doch nicht stehen bleiben», sage ich, als er den Motor ausschaltet.
    «Warte einen Moment.» Er steigt aus und schließt das schmiedeeiserne Gittertor auf. Dann kommt er ins Auto zurück, startet noch einmal und fährt in den Innenhof, genauso selbstverständlich, wie er auf das Krankenhausgelände gerollt ist. «Darfst du dich eigentlich überall auf die Privatparkplätze stellen?»
    Er wirft mir einen amüsierten Blick zu. «Luisa, hier wohne ich.»
    «Hier?» Mein Blick wandert an der stuckverzierten Fassade des riesigen Gründerzeitbaus aufwärts. Jahrzehnte schmutziger Stadtluft haben sie grau werden lassen. In langen Reihen sehen die leeren, blinden Bogenfenster auf mich herab, eins neben dem anderen. Das Gebäude wirkt wie ein verlassenes Märchenschloss.
    Elias ist schon ausgestiegen und kommt um das Auto herum, um mir die Tür zu öffnen. «Das Haus steht offiziell leer bis auf die Läden unten. Und jetzt wohnen wir hier, ein bisschen inoffiziell. Ursprünglich war das hier als Nobelhotel geplant, kurz vor dem Ersten Weltkrieg sollte es eröffnet werden. Also, eigentlich müsste uns ein Hotelbediensteter das Auto parken.» Elias drückt auf den Autoschlüssel und lässt die Verriegelung zuschnappen. «Weil der Betreiber aber noch vor der Eröffnung pleitegegangen ist, muss ich leider das Tor selbst hinter uns abschließen. Du entschuldigst mich?» Als er zu mir zurückkommt, staune ich immer noch über die breite, wuchtige Fassade. Es sind nicht mal so sehr die Reste vergangener Pracht, die mich faszinieren. Draußen auf dem Kurfürstendamm rauschen die Autos vorbei, Busse, Fahrräder, Scharen von Einkaufsbummlern und Touristen. Und hier ist niemand! Als würde es den Ku’damm hinter dem Tor nicht geben.
    «Hat hier tatsächlich noch nie jemand gewohnt?»
    Nebeneinander gehen wir zum Hintereingang, einer zweiflügligen weißen Fenstertür unter einem verzierten Haupt aus Sandstein.
    «Nein, wirklich bewohnt war das hier nie. Eine Weile lang war in einem anderen Gebäudeteil eine Behörde untergebracht. Und seit fast zehn Jahren steht das Haus jetzt vollkommen leer. Abgesehen von den Filmarbeiten, die hier stattfinden.» Er schließt die Tür auf. «Das Haus ist ganz schön berühmt, hat schon in

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