Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter
Winkel verborgen seinen Tagesschlaf hält.
«Da sind wir.» Elias steht in der Küchentür und holt mich mit einem Blick aus seinen blauen Augen in die Wirklichkeit zurück.
«Da bist du ja endlich!», ruft eine junge Frau und kommt auf uns zu. «Elias, wer ist das?», fragt sie und mustert mich mit so kaltem Blick, dass mir fröstelt. Sie sind alle älter als ich. Studenten wahrscheinlich.
«Selina, das ist Luisa. Wir wurden aufgehalten. Einer alten Frau wurde die Handtasche gestohlen.»
«Ach, wieder mal ein Handtaschenraub!», sagt ein Mann mit dunklen Haaren spöttisch. Lässt das Messer, mit dem er gerade Gemüse geschnitten hat, auf die Granitarbeitsplatte fallen. Glaubt er Elias nicht?
«Da war wirklich eine alte Frau», bestätige ich. «Zwei Jungs haben ihr die Handtasche geklaut, und Elias hat sie ihnen wieder abgejagt.»
«Und wer bist du noch mal?», fragt der Dunkelhaarige und sieht mich feindselig an.
«Luisa und ich betreuen zusammen im Krankenhaus die Kinder. Ich habe dir doch erzählt, dass ich jetzt dort arbeite, Adrian.»
Aber mich hat er wohl noch nicht erwähnt, wie es scheint. «Du bist keine von uns», stellt Adrian mit merkwürdiger Stimme fest.
Ich drehe mich zu Elias. «Hätte ich gewusst, dass ich nicht willkommen bin, wäre ich einfach nach Hause gefahren. Du hättest mich nicht einladen brauchen.»
«Entschuldige, Luisa. Adrian meint es nicht so. Wir freuen uns natürlich, wenn Elias jemanden –», Selina stockt einen Moment, «Neues mitbringt.» Sie reibt den Löffel, den sie gerade abgespült hat, an einem Geschirrtuch trocken. Sieht mir forschend ins Gesicht, während sie weiterspricht. «Wir sind wohl noch nicht daran gewöhnt, Besuch zu bekommen. Diese –», sie stockt erneut, «Wohngruppe hier wurde ja erst neu gegründet.»
«Also gut, Luisa», sagt Elias und beendet damit die neugierigen Blicke. «Das sind Sarah, Selina und Konstantin. Den unfreundlichen Typ da, der den Staudensellerie zerhackt, den kennst du ja schon. Wo ist Felix?»
«Ich hole ihn und gebe auch Raquel Bescheid», sagt Adrian und drückt mir sein Gemüsemesser in die Hand. «Machst du hier weiter, Luisa?»
Ich zerteile den Staudensellerie und fülle ihn in ein Schälchen. Dann gibt Selina mir Frühlingszwiebeln, die ich in feine Ringe schneide. Konstantin mahlt Gewürze in einem Mörser zu Pulver. Es duftet nach Koriander und dem Ingwer, den Elias gerade schält.
Sarah füllt Reiskörner in einen großen polierten Kupfertopf. «Ich hoffe, du magst vegetarisches Essen?», fragt sie mich. «Keiner von uns isst nämlich Fleisch.»
«Ich bin keine Vegetarierin, aber ich esse gern mal fleischlos.»
«Es ist einfach barbarisch, Lebewesen nur deshalb sterben zu lassen, damit man sie essen kann», sagt Sarah und drückt den Deckel auf den Topf.
«Na ja, aber die Menschen haben ja schon immer neben Gemüse und anderen Sachen auch Fleisch gegessen. Man muss es natürlich nicht gleich so machen wie mein Freund, der isst fast nur Fleisch.» Ob das immer schon so war? Oder erst seit seiner Zeit als Werwolf? Da höre ich, wie Elias zwischen den Zähnen zischt und dann an seiner Hand saugt.
Ich sehe ihn entsetzt an. «Was ist?»
«Schon gut. Nichts passiert.» Er tupft das Blut auf seiner Hand mit einem sauberen Tuch ab. «Ich bin mit dem Messer abgerutscht. Nicht schlimm.»
Nicht schlimm, sagt er. Ich wette, Ingwer brennt auch in kleinen Verletzungen ziemlich fies.
Adrian und Felix kümmern sich in der Küche um den Wokbrenner, ein ziemlich monströses Gerät, während Elias und ich den langen Tisch im Esszimmer decken. Früher sei das hier das «Frühstückszimmer» gewesen, erzählt mir Elias. Es ist schlicht mit modernen Möbeln eingerichtet, an der Wand allerdings hängt ein riesiges Bild von einem Engel mit einem brennenden Schwert in einem bombastisch verschnörkelten Goldrahmen. Bestimmt zeigt es die Vertreibung aus dem Paradies oder so. Das Bild sieht uralt und furchteinflößend aus, nicht nur wegen seiner Größe. Es hat eine Ausstrahlung, bei der ich mich klein und unbedeutend fühle. «Hing das mal in einer Kirche?», frage ich.
«Wie kommst du darauf?», wundert sich Elias.
«Es ist das Bild von einem Engel. Und es ist wohl etwas zu groß für ein normales Wohnzimmer.»
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16. Elias
Ich frage mich, was Luisa fühlt, wenn sie vor unserem Engelsbild steht. Ob es sie ähnlich stark berührt wie uns? Oder ist es für sie einfach nur irgendein altes
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