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Schattenblüte. Die Erwählten

Schattenblüte. Die Erwählten

Titel: Schattenblüte. Die Erwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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Stämmen gestrichen hat. Als ob sie erwartet hat, dass das Holz ihr antwortet.
    «Thursen?»
    Ich nicke langsam, doch statt zu sprechen lege ich den Finger auf die Lippen. Sie versteht. Hinter uns knistert etwas, zu laut für ein Tier. Wer ist da? Jemand mit Schuhen, ein Mensch, zertritt Zweige und Laub, brüchig von der Kälte. Wäre ich noch Werwolf, ich hätte es viel früher bemerkt. Ich hätte es gerochen. Ich drehe mich um, und tatsächlich, unter dem Baum für Karr, halb verdeckt vom Stamm, da steht jemand. Ein Mann, den ich kenne. Und so ziemlich der Letzte, den ich jetzt sehen will.
    «Hallo!», grüßt Elias und kommt aus seiner Deckung heraus auf uns zu. Nur er? Ich streife das Unterholz mit meinem Blick, lausche, doch weitere Schritte höre ich nicht.
    Mit der bandagierten Hand schiebe ich Luisa hinter mich. Mit der anderen ziehe ich zeitgleich mein Messer aus der Tasche und lasse es aufschnappen. Dann stürze ich mich auf Elias, ehe er etwas ahnt, und greife nach seiner Schulter. Scheiße, mein kaputter Arm brennt wie Feuer. Ich pralle im Schwung mit der Schulter gegen ihn, doch ehe ich das Messer hochreißen und ihm an den Hals drücken kann, hat er wie ein Raubvogel zugepackt und umklammert mein Handgelenk. Nein, ich bin nicht langsam. Wäre er ein Mensch, hätte ich es locker geschafft. Doch Elias ist kein Mensch. Ich fühle es schmerzhaft. Wenn er noch ein bisschen fester zudrückt, bricht mein Handgelenk. Egal. Ich beiße die Zähne zusammen, um nicht aufzustöhnen, und halte stand.
    «Lass das Messer fallen, Thursen!», sagt er. Nicht wütend, nicht mal besonders außer Atem. Freundlich, aber bestimmt sagt er es, so, wie man mit Hunden spricht. Fast möchte ich lachen. «Klar, damit du gleich deine Leute herrufst.» Ich lasse die Waffe fallen, verdränge den Schmerz, reiße mit aller Macht meinen Ellenbogen hoch und ramme ihn ihm in die Brust. Meine Hand ist frei. In meiner Drehung trete ich mit dem Fuß nach ihm. «Hau ab, Elias, du Mistkerl!», schreit Luisa. Kommt mit einem Ast, lang wie mein Bein, auf uns zu. Recht so. Ich hasse Elias! Noch ein Tritt. Dafür brauche ich keine Arme.
    Geschickt weicht er aus. Ich schnappe mir mein Messer. Trete noch einmal nach ihm.
    «Immer noch Mensch, Werwolf?» Seine Stimme ist auf einmal scharf wie eine Rasierklinge, und zwischen seinen Handflächen leuchtet es, als wäre da eine Taschenlampe. «Na los, warum verwandelst du dich nicht? Zeig deine Zähne, oder bin ich es nicht wert, dass du mich in deiner Wolfsgestalt angreifst?»
    «Werwolf?» Diesmal lache ich wirklich. «Meine Güte, Elias! Schau mich doch an!»
    Ich breite die Arme aus, einladend, damit er endlich hinsieht. Er wird nicht weiterkämpfen, wenn ich es nicht tue. Auch wenn ich ihn hasse, er ist einer von den Guten, oder nicht? Die Guten halten sich an die Regeln, nicht weiterzukämpfen, wenn der Gegner aufhört. Und wirklich, verwirrt bleibt er stehen.
    «Lass ihn, Luisa!», sage ich ihr, damit sie nicht gleich auf ihn losgeht. Jetzt soll er mich erst mal ansehen. Das blasse Licht des Tages fällt durch die Zweige auf mich. Er mustert mich, nein, wir starren uns an. Wir stehen im Schatten, doch es ist nicht so dunkel, dass ihm entgehen könnte, dass mich keine Schatten mehr umgeben.
    «Himmel, Thursen! Wie machst du das? Du bist ein Werwolf! Ich habe gesehen, wie du dich verwandelt hast! Damals, bei unserem ersten Treffen, als ich mit Gregorius unterwegs war und ihr einen von uns getötet habt.»
    «Was heißt hier eigentlich ihr? Willst du höflich sein? Du weißt genau, dass ich es war, der den Novizen getötet hat.»
    «Wann hast du aufgehört, Werwolf zu sein?», fragt er.
    «Letztes Jahr schon. Als ich in eurer Wohnung Luisa besuchen wollte, war ich schon längst nur noch ein Mensch. War amüsant zu sehen, wie ihr alle zusammen die gefährliche Bestie gejagt habt.»
    «Das wäre mir doch aufgefallen!»
    «Wir sind uns im halbdunklen Zimmer begegnet, die Schatten, die du gesehen hast, waren einfach das Hereinbrechen der Nacht. Tja, Elias, ihr habt euch wegen eines ganz normalen Menschen fast in die Hosen gemacht.» Damals, als ich nur wissen wollte, wo Luisa steckt, und mich auf einmal mitten zwischen Shinanim wiederfand. Sie haben gedacht, der Leitwolf hätte ihre verborgene Zentrale entdeckt und würde einen Überfall planen. Der kleine Bluff hat mich gerettet und mir Zeit zur Flucht gegeben.
    Sein Blick wandert zu Luisa. «Du bist auch kein Werwolf mehr?» Er geht zu ihr und streckt

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