Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenblüte. Die Erwählten

Schattenblüte. Die Erwählten

Titel: Schattenblüte. Die Erwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
Vom Netzwerk:
Diesmal vermutlich einer, der Elias’ GPS -Signal empfangen hat.
    «Thursen! Das ist eine Falle», stammelt Luisa. «Ist das die Rache dafür, Elias, dass ich dich an Norrock verraten wollte?»
    Der Hubschrauber wird lauter, als er näher kommt. Er fliegt so tief, dass er uns mit Sicherheit erkennt. Elias zieht seine Jacke aus und fasst sie an den Ecken. «Der sucht nach euch. Lauft endlich! Nimm dein Rudel, Thursen, und lauf so weit, wie du kannst!»
    Ich antworte nicht, nehme Luisa an die Hand und renne. Wir tauchen in die nächsten Büsche, durchqueren das Dickicht und huschen unter den Schutz eines ausladenden Nadelbaums. Riechen, an die Rinde gepresst, das Harz, bis der Hubschrauber leiser wird. Dann gehen wir weiter, steigen durch eine Vertiefung im Boden. Nach ein paar Metern, als der Boden eben ist, beginnen wir automatisch zu laufen. Elias hat recht. Wir können nicht kämpfen, wir sind viel zu wenige. Wir müssen Berlin verlassen. Wenn Vittorio uns nicht nur fangen, sondern rücksichtslos vernichten will, dann reicht es nicht, wenn wir hierbleiben, mögliche Fallen rechtzeitig erkennen und ihn austricksen. Dann müssen wir fliehen, so weit wir können. Richtung Osten können wir durch den Wald laufen, Grunewald, Müggelsee, immer weiter Richtung Lausitz, die Oder überqueren, bis hinein nach Polen. Doch wer sagt uns, dass das weit genug ist?
    Nicht einmal das Rudel weiß davon, nur wir Leitwölfe, aber es gibt etwas, mit dem Vittorio uns wirklich ohne jeden Kampf vernichten könnte. Dann wäre jede Flucht, wie weit auch immer, für die Werwölfe sinnlos. Beten wir, dass Vittorio nie davon erfährt.

[zur Inhaltsübersicht]
    48. Elias
    SIE sind weg. Luisa und Thursen sind zwischen den Stämmen verschwunden, und wahrscheinlich werde ich sie nie wiedersehen. Und wenn, dann nur tot. Ich hoffe, meine Warnung hilft ihnen, Vittorios geheimer Plan versagt, und ihnen gelingt die Flucht. Bin ich deshalb ein Verräter? Der Wald, der die beiden aufgesogen hat, wehrt sich knackend gegen meine Schritte. Langsam gehe ich von Trauerbaum zu Trauerbaum. Mir war nicht bewusst, dass so viele von ihnen sterben mussten. Karr, Sjöll, Krestor, Lurnak, Haddrice, Janok lese ich. Edgar lebt noch. Noch.
    Schließlich ist da der Baum für Fabian, Luisas kleinen Bruder. Sie hat mir davon erzählt, ich sehe sie noch an meinem Fenster stehen, den grünen Glasklumpen in der Hand, der mich an meinen Bruder erinnern sollte. Sie ließ das Licht hindurchscheinen, wieder einmal, und erzählte mir, dass es im Wald einen Baum gibt, in den ihr Freund den Namen ihres Bruders geschnitzt hat. Sie erzählte mir von den Blumen, die sie dort immer wieder abgelegt hat. Trauerblumen. Schattenblüten. Jetzt liegen hier nur ein paar eingefrorene Stängel. In Zukunft, schwöre ich mir, werde ich dort Blumen hinlegen an ihrer Stelle. Denn sie kann ja nicht mehr hierherkommen.
    Ich hebe den Stock auf, mit dem Luisa mich bedroht hat. Einen Moment lang wünschte ich, Thursen wäre noch Werwolf gewesen und nicht nur ein verletzter Mensch. Dann hätte ich mit ihm kämpfen und all meine Wut herauslassen können, die in mir brennt. Warum muss er da sein? Warum konnte ich Luisa nicht vor ihm kennenlernen? Der Stock steht plötzlich in Flammen, wie ein feuriges Schwert. Ich bin so überrascht, dass ich ihn fallen lasse. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass meine Hände vor Wut glühen.
    Ich dachte, ich sei ein guter Shinan, mein Engelsblut würde mich automatisch dazu machen, doch ich kann kaum meine Wut im Zaum halten. Ich will im Moment nicht aufbauen, beschützen, nur sinnlos zerstören. Dabei ist es nicht einmal die Eifersucht, die mich so aufbringt. Erstaunlicherweise kann ich damit einigermaßen leben. Ich habe das sanfte Leuchten in Thursens Augen gesehen, wenn er Luisa ansieht, bemerkt, wie er unbewusst nach ihrer Hand greift, wie um sicher zu sein, dass es sie noch gibt. Er tut ihr gut.
    Es ist schlimmer. Ich bin wütend auf die Shinanim. Ich trage einen Peilsender. Auf Jordans Bildschirm wanderte jeder Schritt von mir als heller Punkt über eine Karte Berlins. Sie wussten, wo ich war, jede Minute, in der ich diesen Pullover trug. Ich habe mein Handy ausgeschaltet, als ich meinen Bruder besuchte, um sie nicht zu ihm zu führen. Doch meinen Pullover, den hatte ich an. Natürlich.
    Zurück am Waldrand, winke ich einem Taxi. Ich muss so schnell wie möglich zurück, wenn ich länger wegbleibe, macht das den Rat erst recht misstrauisch.
    Ich lasse den Fahrer ein

Weitere Kostenlose Bücher