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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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hat's verboten», erklärte Nell und
    streckte ihr die Hand entgegen. «Danke, dass Sie sie aufnehmen.»
    «Ich danke Ihnen», sagte die Frau und schüttelte Nell
    die Hand. Dann schüttelte sie auch Sara die Hand und
    sagte zu dem Kind: «Schätzchen, sag danke.»
    Der Junge nuschelte ein «Danke», doch er hatte nur
    noch Augen für die Hunde. Sara sah ihnen nach, als die

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    vier zum Auto zurückgingen. Der Junge musste rennen,
    um mit den ungestümen Tieren mitzuhalten.
    Sara wartete, bis die Frau im Wagen saß, doch bevor sie etwas sagen konnte, hob Nell die Hand. «Hab eine Anzeige
    in die Zeitung gesetzt», sagte sie. «Ich konnte die Hunde da drüben doch nicht verrecken lassen, wenn es Leute gibt,
    die sich um sie kümmern.»
    «Was sagst du dem Nachbarn, wenn er heimkommt?»
    «Schätze, sie haben sich losgerissen.» Nell zuckte die
    Achseln. «Ich sollte mal nach Jared sehen.»
    «Nell –»
    «Stell mir keine Fragen, Sara. Ich weiß, ich rede zu viel, aber es gibt ein paar Dinge, die muss Jeffrey dir selbst sagen.»
    «Es scheint ihm nicht viel dran zu liegen, mir be‐
    stimmte Dinge zu erzählen.»
    «Er ist bei seiner Mutter», sagte Nell. «Keine Angst, sie ist den ganzen Tag nicht zu Hause. Dienstags isst sie immer im Krankenhaus zu Mittag.»
    «Nell –»
    Doch Nell hob die Hand und ging davon.

    Als Sara zweimal die Straße auf und ab gelaufen war, fiel ihr ein, dass sie einfach die Namen auf den Briefkästen
    lesen könnte, statt zu versuchen, sich zu erinnern, wie
    Jeffreys Elternhaus aussah. Sie entdeckte den Namen
    «Tolliver» schließlich fünf Häuser von Nells und Possums
    Haus entfernt. Sie hoffte nur, dass keiner sie beobachtete,
    wie sie hier herumirrte. Besonders dämlich kam sie sich
    vor, als sie vor dem Haus Roberts Truck entdeckte.
    Jetzt, bei Tageslicht, sah Sara erst, wie heruntergekom‐
    men das Haus wirklich war. Mehrere Farbschichten hatten

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    der Fassade über die Jahre eine runzlige Oberfläche gege‐
    ben. Der Rasen war vernachlässigt und braun, und der
    dürre Baum im Vorgarten sah aus, als würde er jeden Mo‐
    ment umfallen.
    Die Eingangstür stand sperrangelweit auf, und die Flie‐
    gentür war nicht abgeschlossen. Trotzdem klopfte Sara
    und rief: «Jeffrey?»
    Als sie keine Antwort bekam, trat sie ein. Im gleichen
    Moment hörte sie die Hintertür ins Schloss fallen.
    «Jeffrey?», rief sie noch einmal.
    «Sara?» Er kam gerade ins Wohnzimmer. In einer Hand
    hielt er einen Schweißbrenner, in der anderen einen
    Schraubenschlüssel.
    «Nell hat mir gesagt, dass du hier bist.»
    «Ja», sagte er, ohne ihr in die Augen zu sehen. Er hielt den Schweißbrenner hoch. «Das Abflussrohr in der Küche
    ist kaputt, schon seit Jahren. Seitdem spült sie das Geschirr
    im Bad.» Als sie nicht antwortete, winkte er sie in die Kü‐
    che. «Ich mache das hier fertig, dann gehe ich zum Ge‐
    fängnis und sehe nach Robert. Seine Geschichte von ges‐
    tern kaufe ich ihm einfach nicht ab. Ich weiß, dass er mir was verschweigt.»
    «Man hört ja so einiges», murmelte Sara.
    «Was?»
    Sie zuckte die Schultern und sah sich die Unordnung
    auf dem Küchenboden an. Er hatte den ganzen Siphon
    auseinander genommen. Sie fragte: «Hast du das Wasser
    abgestellt?»
    «Deswegen war ich gerade draußen», sagte er und setzte
    sich auf den Boden. Er nahm ein Stück Sandpapier und
    schmirgelte mit der Übergenauigkeit eines Laien an einem
    Kupferrohr herum.

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    Sara setzte sich ihm gegenüber und versuchte, nicht an
    seiner Arbeit herumzukritteln. Ihr Vater hätte Jeffrey für ein Mädchen gehalten.
    Stolz erklärte Jeffrey: «Ich habe alles ausgetauscht.»
    «Hm», murmelte sie. «Brauchst du Hilfe?»
    Seinem pikierten Blick entnahm sie, dass das hier, wie
    Autofahren, Männersache war. Ihr Vater hatte Sara und
    Tessa den sicheren Umgang mit Propan‐ und Azetylengas‐
    brennern beigebracht, bevor sie die Worte aussprechen
    konnten.
    Doch sie schwieg. Stattdessen sagte sie: «Ich habe dir
    gestern nicht gesagt –»
    «Ach das», unterbrach er sie. «Tut mir wirklich Leid. Ich schwöre dir, ich trinke sonst nie so viel.»
    «Das habe ich auch nicht gedacht.»
    «Und das andere ...» Er brach ab. Sara griff nach der
    Dose Lötwasser, um etwas in den Fingern zu haben.
    «Keine Angst, ich werde es nicht gegen dich verwen‐
    den.»
    «Was meinst du?»
    Sie zuckte die Achseln. «Was du gesagt hast.»
    «Was habe ich denn gesagt?», fragte er irritiert.
    «Nichts», sagte sie und

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