Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
Vom Netzwerk:
«Kopfhaut und Gewebe sind fort. Es ist nicht zu erkennen, ob sie
    kurz vor ihrem Tod auf den Kopf geschlagen wurde. Aber
    selbst wenn, das Zungenbein war gebrochen.»
    «Das was?»
    «Das Zungenbein», sagte sie und fasste sich an die
    Kehle. «Hier, ein u‐förmiger Knochen in der Mitte. Und
    der bricht nicht einfach so. Man muss ordentlich zudrü‐
    cken. Mit roher Gewalt. Erwürgt. » Sie beobachtete Jeffreys
    Reaktion. «Das Zungenbein war nicht nur angeknackst, es
    war in zwei Teile gebrochen.»
    Er richtete sich auf. «Bist du dir ganz sicher?»
    «Wenn du willst, zeig ich dir den Knochen.»
    «Nein», sagte er und steckte die Kette in die Tasche zu-rück. «Warum hat er gesagt, dass er sie umgebracht hat,
    wenn es gar nicht stimmt?»
    «Das frage ich mich auch.»
    «Wenn er in dieser Sache lügt, vielleicht lügt er dann
    auch bei der anderen Geschichte.»

    317
    «Warum?», fragte Sara. «Warum sollte er überhaupt
    lügen?»
    «Ich weiß es nicht», sagte Jeffrey. «Aber ich muss es
    rausfinden.» Er zeigte auf die Spüle. «Kannst du das fertig machen?»
    Sara sah sich das Durcheinander an. «Wenn's sein
    muss.»
    Er stand auf, dann drehte er sich noch einmal um. «Sara, ich habe es ernst gemeint.»
    Sie sah zu ihm auf. «Was hast du ernst gemeint?»
    «Was ich gestern Abend gesagt habe», erklärte er. «Ich
    liebe dich.»
    Zum ersten Mal nach den schrecklichen Ereignissen der
    letzten beiden Tage lächelte Sara. «Geh und rede mit Ro‐
    bert», sagte sie. «Ich mach das hier fertig, und dann sehen
    wir uns später bei Nell.»

    318

KAPITEL ACHTZEHN

    Dienstag

    effrey saß in Roberts Truck und klappte die Sonnenblende
    J herunter, um im Gegenlicht etwas zu sehen. Er hatte kei‐
    nen schlimmen Kater. Eins hatte er von May Tolliver und ih‐
    rem Mann Jimmy geerbt, für das er dankbar war: Solange er
    sich nicht völlig die Birne zuknallte, bekam er keinen Kater.
    Diese Gabe konnte jedoch auch ein Fluch sein. Im College trank Jeffrey alle unter den Tisch und absolvierte am Morgen trotzdem das Footballtraining mit links. Und während
    die meistens Jungs die Sauferei nach einem Semester auf‐
    gaben, damit sie nicht aus der Mannschaft flogen, brauchte
    Jeffrey ein paar Jahre länger, um sich zu mäßigen. Erst als er
    irgendwann mit einer Hand in Gips und einem Filmriss in
    der Nahe von Tuscaloosa im Krankenhaus aufwachte, be‐
    schloss er endlich, dass die wilden Tage vorbei waren.
    Reggie Ray saß am Schreibtisch, als Jeffrey die Wache
    betrat. Er fragte: «Was willst du denn hier?»
    Jeffrey hatte für Höflichkeiten keine Zeit. «Leck mich.»
    Reggie war so schnell auf den Beinen, dass sein Stuhl
    umfiel. «Sag mir das ins Gesicht –»
    Jeffrey war schon an ihm vorbei, doch jetzt drehte er
    sich um: «Ich dachte, das hätte ich gerade getan.»

    319
    Beide ließen sich auf das kindische Kräftemessen ein,
    aus dem Männer in ihrem Alter längst heraus sein sollten.
    Jeffrey war das wohl bewusst, trotzdem gab er keinen Mil‐
    limeter nach. Er hatte es satt, so behandelt zu werden.
    Nein, es war noch mehr. Er hatte es satt, dass er sich so be‐
    handeln ließ. Nach all den Jahren hatte ihm das Gespräch mit Sara endlich klar gemacht, dass er mitverantwortlich
    war für seine ewigen Schuldgefühle. Sara hatte ihn nie als Sohn seines Vaters betrachtet. Selbst heute, nachdem sie
    die schlimmsten Geschichten über ihn gehört hatte, blieb
    sie dabei. Obwohl sie ihn erst so kurz kannte, schien sie ihn viel besser zu durchschauen als alle anderen hier, Nell eingeschlossen.
    Jeffrey verschränkte die Arme vor der Brust. «Ist noch
    was?»
    «Wie kommt es, dass jedes Mal, wenn du hier auf‐
    kreuzt, irgendeine Sauerei passiert?»
    «Muss Zufall sein.»
    «Ich kann dich nicht leiden», sagte Reggie.
    «Ist das alles, was du zu sagen hast?», fragte Jeffrey.
    «Dann sag ich dir mal was, du kleines Arschloch, ich kann dich auch nicht leiden. Ich kann dich nicht leiden seit dem Tag, an dem du in die Garage deines Vaters reingeplatzt
    kamst, wo mir deine Schwester einen geblasen hat.»
    Reggie holte aus, doch Jeffrey fing seine Faust in der
    Luft ab. Jeffrey drückte Reggies Faust zusammen, bis der
    Mann in die Knie ging.
    «Dreckskerl», zischte Reggie und versuchte sich loszu‐
    reißen.
    Jeffrey riss den Mann nach vorn und stieß ihn gegen
    den Tisch, bevor er ihn losließ. In diesem Moment ging die
    Tür auf, und Possum kam herein. Er warf einen Blick auf 320
    Reggie, der sich krümmte, dann lächelte

Weitere Kostenlose Bücher