Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
Vom Netzwerk:
etwas aufzu‐
    schnappen, doch sie waren zu leise. Als Lena einen Blick auf Maria riskierte, sah sie das Funkeln in den Augen der alten Frau. Maria hatte sich ganz offensichtlich die ganze Zeit verstellt. Lena versuchte zu erkennen, was Maria mit dem Messer gemacht hatte, wo sie es versteckt hatte.
    «Leck mich am Arsch!», schrie Smith, und Sonny ver‐
    setzte ihm einen Stoß, dass Smith strauchelte und stürzte.
    Glas und Schutt flogen durcheinander, als Smith ver‐
    suchte, wieder auf die Füße zu kommen. Er riss sich die Maske herunter, und jetzt wurde Lena von Angst ergriffen, als umklammerte eine kalte Faust ihr Herz. Smith
    packte Sonny am Kragen und beschimpfte ihn, und Lena
    hatte nur noch den einen Gedanken, dass sie nun alle ster‐
    ben würden. Er hatte sein Gesicht gezeigt. Es war ihm egal,
    wer ihn sah, was nur bedeuten konnte, dass keiner hier
    überleben sollte.
    Sara schrie: «Schautauf den Boden! Seht ihn nicht an!»
    Molly gehorchte, doch bei Lena war es zu spät. Smith
    wirbelte auf dem Absatz herum, seine Stiefel knirschten
    in den Glasscherben. Ihre Augen trafen sich, und Lena
    dachte, dass sie noch nie im Leben Augen gesehen hatte,
    die so tot aussahen. Smith stürzte mit erhobener Flinte
    nach hinten. Lena versuchte ihn festzuhalten, doch er
    schüttelte sie ab wie eine Fliege.

    386
    «Seht ihm nicht ins Gesicht!», wiederholte Sara, dann
    traf sie Smiths Schlag, und sie sackte zur Seite. Trotzdem flehte sie Molly noch einmal an: «Sieh ihn nicht an. Mach die Augen zu.»
    Smith trat Sara gegen ein Schienbein, das sofort auf‐
    platzte. Er brüllte: «Was soll das?»
    «Sie hat Sie nicht gesehen!», schrie sie zurück und
    setzte sich auf. «Molly hat Sie nicht gesehen! Mach die
    Augen zu!» Sie streckte die Hand nach Molly aus, doch
    Smith riss die beiden auseinander.
    «Sie hat zwei Kinder», winselte Sara. «Zwei Jungs zu
    Hause, Lassen Sie sie gehen. Sie hat Sie nicht gesehen.»
    Molly saß an derselben Stelle, an der sie die ganze Zeit gesessen hatte. Sie hielt Jeffreys Hand und hatte die Augen fest geschlossen. Sie sah aus, als betete sie.
    «Sie hat Sie nicht gesehen», wiederholte Sara mit zit‐
    ternder Stimme. «Sie hat Sie nicht gesehen. Lassen Sie sie gehen.»
    Smith starrte die Frauen an, seine Augen zuckten
    von einer zur anderen, und Lena sah, wie er mit sich
    kämpfte. Dann warf er einen Blick über die Schulter zu
    seinem Partner, doch nach seiner Meinung fragte er
    nicht.
    Lena sagte: «Sie sollten Molly gehen lassen. Sie kann
    Maria wegbringen.»
    Smith schien darüber nachzudenken. «Was ist mit mei‐
    nem Arm?», fragte er. Er wandte sich wieder an Molly
    die mit geschlossenen Augen dasaß. «Du hast gesagt, du
    nähst die Wunde.»
    «Ich brauche das Lidocain», sagte sie. «Ich brauche ...»
    Sie drehte sich um und sah Lena seltsam an. «Gib mir
    fünfzehn Kubik Lidocain, zweiunddreißig Prozent.» Sie

    387
    sprach jedes Wort überdeutlich aus. «Fünfzehn Kubik,
    zweiunddreißig Prozent.»
    Sara konnte ihre Verwirrung nicht schnell genug ver‐
    bergen. Lena sah, wie sie die Brauen runzelte, doch Smith kannte sich offensichtlich gut genug aus; er sagte: «Wollt ihr mich einschläfern?» Er trat sie mit der Stiefelspitze.
    «Oder was?»
    «Nein», gab Molly zurück. Ohne Smith anzusehen,
    riskierte sie einen Blick auf die Uhr und erinnerte Lena so daran, dass um 15.32 Uhr gestürmt werden sollte. Lena
    nickte kaum merklich, um ihr zu signalisieren, dass sie
    verstanden hatte. Sie hatten noch zwanzig Minuten Zeit.
    Smith drückte Molly die Flinte ins Gesicht, er wurde
    sichtlich nervöser. «Raus mit dir», sagte er. «Ich vertrau dir
    nicht. Nimm die Alte mit.»
    Molly stand auf, und Sara mit ihr.
    «Was machst du da?», fragte Smith.
    «Sie ist eine Freundin», sagte Sara und umarmte die
    Krankenschwester. «Richte meiner Familie aus ...», begann
    Sara, dann versagte ihr die Stimme.
    Molly ging zu Maria und versuchte, ihr beim Aufstehen
    zu helfen, aber die alte Frau war zu verängstigt.
    «Kommen Sie», sagte Lena und nahm Maria unter dem
    Arm. Sie zuckte zusammen, als Maria ihr plötzlich an den Po griff, doch dann begriff sie, dass sie ihr das Messer in die
    hintere Hosentasche gesteckt hatte.
    Lena riskierte einen Blick, doch Smith hatte nichts mit‐
    bekommen. Auch Sonny wirkte ahnungslos.
    «Also schön», sagte Smith und zeigte auf die Tür. «Be‐
    wegt euch.» Er wedelte mit der Flinte in Richtung Maria.
    «Mach schon, bevor ich es mir nochmal anders

Weitere Kostenlose Bücher